: Tibets Lamas auf den Barrikaden
■ Erste Augenzeugenberichte der Unruhen vom Wochenende / Frauen versorgten die Mönche von Lhasa mit Wurfgeschossen / Mindestens acht Tote / Chinesische Sonderkommandos eingesetzt
Lhasa/Peking (afp) - „Sie haben uns unsere Helme heruntergerissen. Ein junger Mann stach mir mit einem Messer ins Gesicht und in den Rücken“, berichtet der chinesische Polizist Yang Yucheng am Montag in der Pekinger Volkszeitung. Er war am Wochenende in der tibetischen Hauptstadt Lhasa im Einsatz. Kurz nach dem Beginn der Unruhen am Samstag sei seine Einheit mit Steinen und Eisenstangen angegriffen worden. Er habe mit einem Kollegen in die Toiletten eines Gebäudes fliehen können. Die aufgebrachten Tibeter hätten die Tür aufgebrochen, auf sie eingeschlagen und versucht, sie aus dem Fenster zu werfen. Sein Kollege Yuan Sisheng, der bereits an den Händen verletzt war, konnte sich nicht mehr festhalten und starb kurz nach dem Fenstersturz im Krankenhaus. Die Unruhen haben nach Augenzeugenberichten mindestens acht Todesopfer gefordert. Die Volkszeitung gab an, insgesamt 28 Polizisten seien verletzt worden. Mit geballten Fäusten hatten etwa 300 junge buddhistische Mönche am Samstag auf den Stufen des Tempels in Lhasa die Tibeter zum Kampf für die Unabhängigkeit aufgerufen. Alle Mönche wissen, daß sie seit ihrem Eintritt in das buddhistische Kloster von der chinesischen Polizei fotografiert und registriert sind und daß sie keine Chance gegen die Sicherheitskräfte haben. Ein etwa 15jähriger Mönch schleuderte nach Augenzeugenberichten einen Stein auf einen chinesischen Polizisten. Er wurde kurz darauf zwischen den Augen von einer Kugel getroffen, die nach Angaben von Augenzeugen von einem Zivilbeamten abgefeuert worden war. Alle Zeugen berichten, daß die tibetische Bevölkerung ihre spirituelle Elite unterstützt. Noch nach Stunden schwerster Straßenkämpfe versorgten Frauen und Mädchen die Männer mit Steinen als Wurfmunition. Während die Polizei den Jokhang–Tempel vom großen Vorplatz aus stürmte, legten die Frauen an der Rückseite Leitern an und konnten viele der Belagerten evakuieren. Die chinesischen Behörden versuchten diesmal, besonders mit Blick auf die Weltöffentlichkeit, eine allzu militärische Repression zu vermeiden. Sie setzten erstmals Sondereinsatzkommandos ein.
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