piwik no script img

Thyssen KruppWerft ohne Wellness

Das Ende des Schiffbaukonzerns droht. Die Belegschaft von HDW, der Nordseewerke und Blohm+Voss wehrt sich, der Vorstand dringt auf Aufspaltung.

Ein Mitarbeiter von Thyssen Krupp demonstriert gegen das Ende des Schiffbaukonzerns. Bild: dpa

Der Kreuzfahrer "MS Europa" ist keineswegs zu einer schnöden Reparatur im Schwimmdock 10 der Werft Blohm+Voss gegenüber den Hamburger Landungsbrücken. Über die gesamte Länge und Höhe der Dockwand verkündet ein Banner den wahren Grund: "Die schönste Yacht der Welt zu Wellnesstagen im Dock". Auf dem Werftgelände dahinter geht es jedoch alles andere als erholsam zu: Etwa die Hälfte der konzernweit 5.200 Beschäftigten protestieren am Freitag gegen die Schließung oder Verkleinerung von Produktionsstandorten im Werftenverbund Thyssen Krupp Marine Systems (TKMS) an der Küste. Ein Transparent verspricht: "Wir lassen uns nicht versenken."

Vor dem Hauptgebäude von Blohm+Voss haben sich MitarbeiterInnen aus Kiel, Emden und Hamburg versammelt, der Betriebsrat von Airbus sichert Solidarität zu, die Führungsriege der IG Metall Küste macht Mut: "Thyssen Krupp darf den zivilen Schiffbau an der Küste nicht sterben lassen", fordert Bezirksleiterin Jutta Blankau. Drinnen tagt seit 10 Uhr der Aufsichtsrat des Unternehmens. Und als gegen 12.30 Uhr TKMS-Vorstandschef Hans Christoph Atzpodien auf der Bühne erscheint, um sich seiner Belegschaft zu stellen, muss er gegen Buhrufe und Trillerpfeifen anreden.

"Wir teilen Ihre Sorge um die Arbeitsplätze", versichert er unter Gelächter der Zuhörenden und verspricht ein Rettungskonzept "ohne betriebsbedingte Kündigungen". "Wir suchen nicht das Heil im Ausverkauf", beteuert er, die Leitlinie laute "Umbau statt Abbau". Blankau und die Betriebsräte der drei Standorte Hamburg, Kiel und Emden befürchten hingegen, "dass es nur Verlierer gibt".

Die Konzernpläne

Das Konzept von Thyssen Krupp Marine Systems sieht vor:

Howaldtswerke - Deutsche Werft (HDW) in Kiel: Die Tochterfirma HDW-Gaarden wird mit 470 Beschäftigten in HDW zurückgeführt; Fertigungsanlagen und 180 Mitarbeiter werden von der Bremerhavener Rönner-Gruppe (Stahl- und Maschinenbau) übernommen.

Nordseewerke in Emden: 200 Arbeitsplätze bleiben im Reparaturbetrieb erhalten; 115 Beschäftigte kommen bei der neu zu gründenden HDW-Filiale unter; die Nordseewerke werden samt 721 Beschäftigten von der Siag Schaaf AG (Windanlagen) aus Dernbach bei Koblenz übernommen.

Wenn der zivile Schiffbau in Emden und Kiel "und in der Perspektive auch in Hamburg eingestellt wird", so Blankau, "läuft alles auf einen nationalen Rüstungskonzern hinaus". Dann würden in Kiel U-Boote und in Hamburg militärische Überwasserschiffe gebaut. "Ein solches einseitiges Konstrukt ist nicht tragfähig", glaubt die Gewerkschafterin. Auslastungslücken ließen sich nicht so einfach mit zivilen Aufträgen ausgleichen.

Positiver sieht die Arbeitnehmerseite die Übernahme der Nordseewerke Emden durch die Siag Schaaf AG zum 1. Oktober. Die will die Werft in Europas größtes Werk für Offshore-Windanlagen umstrukturieren. Das sei "eine Zukunftstechnologie, die uns willkommen ist", sagt IG Metaller Heino Bade, der stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates ist. Voraussetzung sei aber "ein Tarifvertrag, keine Dumpinglöhne".

Beschäftigte und Gewerkschaften wollen vor allem "nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden". Sie fordern mehr Zeit, um die Konzepte sorgfältig zu prüfen. So viel will Atzpodien aber nicht zugestehen. Bis zum 30. September muss eine Entscheidung fallen, fordert er. Und lässt keinen Zweifel daran, welche das zu sein hat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!