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Thoreau bekommt auf ganz neue Weise recht

■ betr.: „Der romantische Uröko loge“, taz vom 10.7. 97

Der Artikel kränkt mich, weil meines Erachtens Thoreau einen solchen Umgang mit seiner Person nicht verdient hat. Er war es schließlich, der den Gedanken formuliert hat, daß, wer im Kreis mit anderen mitmarschiert (der militärische Drill ist gemeint), seine Seele, seine Persönlichkeit schon abgegeben und statt dessen eben die Uniform angezogen hat.

Herr Balke amüsiert sich über Thoreaus Bemühen um Reinhaltung seiner Gedanken. Ich bleibe noch bei der vorher genannten Überlegung: Die Uniformität von Werbung und Fernsehen zwingt uns heute in noch viel subtilerer Weise als das Militär in einen Kreis, in dem wir mitmarschieren, soll heißen: wie Marionetten tun, was andere uns in den Kopf setzen, leben, was andere uns als Klischee vorfabrizieren. Wer auch nur versucht, sich dagegen zu wehren, weiß, wie schwer es ist. Da bekommt Thoreau auf ganz neue Weise recht.

Man kann sich auch fragen, ob er nicht vielleicht genau deshalb zur Entwicklung einer Vorstellung wie der vom „zivilen Ungehorsam“ (worauf Herr Balke dankenswerter Weise ja denn doch verweist) fähig war, weil er sich zurückzog, weil er ein anderes, nicht ausbeutendes Verhältnis zur Natur suchte (wie recht er damit hatte, fangen wir gerade erst an zu verstehen), weil ihm schließlich auch klar war, daß er sein Gehirn nicht mit jedem beliebigen Mist füllen konnte. Immerhin hat die Menschheit Thoreau seit eineinhalb Jahrhunderten nicht vergessen, so albern können seine Bemühungen also nicht gewesen sein.

Last not least, um der Genauigkeit willen: Das Bild von der schlafenden Maus unter der sich neigenden Weide mit dem vergnügt grinsenden Mond stammt nicht aus der „Häschenschule“, sondern aus der „Schule im Walde“, ein für betagte Leute wie mich, die ich als Kind beide Bücher heiß geliebt habe, nicht unwesentlicher Unterschied. Dr. Elisabeth Kasch, Reinbek

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