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Thierse hilft G-8-Inhaftierten

Bundestagspräsident Thierse bittet italienischen Amtskollegen um Hilfe für Inhaftierte. Verhaftete Globalisierungskritiker wurden zu Unterschriften gezwungen

BERLIN taz ■ Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat davor gewarnt, dass die Ereignisse von Genua „einen Schatten“ auf die deutsch-italienischen Beziehungen werfen. Einen Monat nach den Unruhen beim G-8-Gipfel sind noch 15 deutsche und zwei italienische Demonstranten inhaftiert. Sowohl die Umstände ihrer Verhaftung als auch das Vorgehen der italienischen Justizbehörden sind umstritten.

In einem Brief bat Thierse gestern seinen Amtskollegen Ferdinando Casini, sich für die Freilassung aller unschuldig Inhaftierten einzusetzen. Thierse wies auf Berichte freigelassener Demonstranten hin. Diese werfen der italienischen Polizei Beweisfälschung vor. Den Inhaftierten sei überdies der Kontakt zu ihren Anwälten verweigert worden. Zudem mehren sich Beschwerden, dass die Misshandlungen auch in den Gefängnissen andauerten.

Unter Gewaltandrohung sollten Verhaftete außerdem dubiose Dokumente unterzeichnen. Zwei Freigelassene berichteten der taz, ihnen sei mit Polizeiknüppeln gezeigt worden, wo sie zu unterschreiben hätten. Einige der Verhafteten erhielten nur italienische Versionen der Dokumente. In einigen Fällen wurde den Demonstranten eine unzulängliche deutsche Übersetzung vorgelegt. Sie trägt den Titel: „Ich bestimme von Beglaubigung von Beschlagnahme ist Durchsuchung“. Auch der Rest des Textes ist unverständlich. Bei den Papieren handelt es sich um eine Art Verhaftungsprotokoll.

Rechtsanwälte der Betroffenen kündigten an, die Gültigkeit der Unterschriften anzufechten. Die Dokumente enthalten eine Liste von Gegenständen, die angeblich in einer Unterkunft von Gipfelgegnern gefunden wurden. Diese Gegenstände, vor allem schwarze Kleidung, sollen beweisen, dass die Inhaftierten zum so genannten schwarzen Block gehörten. Die italienischen Behörden behaupten, dass sich in dieser Vereinigung die gewalttätigen Demonstranten organisierten. Die Beschuldigten bestreiten die Existenz des „schwarzen Blocks“.

Der Duisburger Anwalt Heinz R. Schmitt, der vier Demonstranten vertritt, berichtete, dass auch die Ergebnisse der Haftprüfung teilweise nur auf Italienisch und handschriftlich festgehalten worden seien.

Die Anfechtung der zweifelhaften Dokumente sei „zunächst Aufgabe der Anwälte“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes der taz. Das Ministerium habe aber vom italienischen Innenministerium gefordert, dass die umstrittenen Dokumente auf ihre „Gerichtsverwertbarkeit“ überprüft werden. Zudem habe sich das Auswärtige Amt für bessere Haftbedingungen eingesetzt, sagte der Sprecher. Die Inhaftierten hätten nun Hofgang erhalten und seien zusammengelegt worden.

Der Münchner Anwalt Michael A. Hofmann, der sechs Demonstranten vertritt, forderte das Außenministerium unterdessen auf, „massiver Einfluss zu nehmen“. In einem Brief bat er die grünen Bundestagsabgeordneten Hans-Christian Ströbele, Annelie Buntenbach und Cem Özdemir, herauszufinden, was das Außenministerium zur Freilassung der Inhaftierten unternehme. Eine ähnliche Anfrage der PDS-Abgeordneten Heidi Lippmann hat das Auswärtige Amt noch nicht beantwortet.

YASSIN MUSHARBASH

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