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Themenläden und andere ClubsRustikales Liebesnest

■ Axl Rose trinkt seinen Jägermeister in der Scrap Bar. Berliner Prominente bleiben da lieber zu Hause und freuen sich an ihren schönen Kaffeetassen von Hutschenreuther

Jede Stadt, die sich das Präfix „Groß“ vor den Latz schnallen darf, gibt hin und wieder mit prominenten Kneipenbesuchern an. Und so kann man manchmal aus einschlägigen Illustrierten erfahren, wohin SchauspielerInnen, MusikerInnen und PolitikerInnen so gehen, wenn die Dreharbeiten/die Tour/der Wahlkampf vorbei sind. River Phoenix, Gott hab ihn selig, ging bekanntlich immer zusammen mit seinem Freund Keanu Reeves in den Viper Room in Los Angeles und nahm dort Speed Balls, und zwar so lange, bis er vor der Tür tot zusammenbrach. Mehr weiß man über diese Kneipe nicht: Sie ist in Los Angeles, man kann dort illegale Drogen kaufen und konsumieren, und man kann vor ihrer Tür zusammenbrechen (was auf die beschränkte Größe der Toiletten schließen lässt).

In die Scrap Bar in New York ging früher immer Axl Rose, der Radlerhosen tragende Sänger von Guns 'n' Roses, und trank dort Jägermeister. In dieser Bar war ich auch schon mal. Zum Glück war Axl nicht da (es gibt kaum etwas Schlimmeres als Männer mit Radlerhosen, und Axl sieht ganz so aus, als trüge er sie auch privat). Auch Joey Ramone nicht, der sonst immer da sei, behauptete jemand, aber es war ohnehin so dunkel, dass man niemanden richtig erkennen konnte. Ansonsten liefen Def Leppard und Motorhead und ich war die Einzige ohne Gesichtstattoo. Um nicht aufzufallen, tat ich so, als ob es auf meiner bedeckten Hautfläche von Spinnennetzen, Ankern und komischen asiatischen Schriftzeichen nur so wimmeln würde. Aber richtig überzeugend war ich wohl nicht. Die vollkommen zutätowierte Thekenkraft machte meinen Jägermeister on Ice nur halbvoll.

Auch in Berlin gibt es mehr und weniger Prominente. In besagten allwissenden Illustrierten sind jedenfalls immer wieder Fotos, auf denen langhaarige, schlanke Frauen mit zierlichen Fesseln und in „Stilettos“ (das sind so eine Art wackelige Pumps) unter der Überschrift „trends & talk Berlin“ schick Sektgläser schwenken. Darunter steht dann Kryptisches wie etwa „TV-Beauty Sabrina Staubitz (Pro 7) über den Dächern von Berlin“ oder „Ausgelassen: Annette Mustermann (Babystrich im Sperrbezirk) in Armani“. Mich würde interessieren, ob derjenige, der die Fotos macht, eigentlich auch immer fragen muss: „Sind Sie prominent? Sind das Designerklamotten? Was machen Sie eigentlich? bzw. Bei welcher unbekannten Fernsehproduktion haben Sie mitgespielt?“, oder ob es eine eigens dafür eingestellte „Promi“-Person gibt, ein Mensch, der sich mit diesem Wust von auswechselbaren Fernsehmäusen auskennt.

Apropos: Neulich habe ich einer dieser Zeitungen eine „Homestory“ über Jenny Elvers (26) und Heiner Lauterbach (46) mit dem Titel „Rustikales Liebesnest“ gelesen. Darin war ein beeindruckendes Foto von Jennys und Heiners „Kaffeetafel“: Eine hölzerne Eckbank mit blau karierten Kissen, auf deren Ecke zwei mit Strohschleifen umwickelte, trockenblumengesteckartige komische Dinger standen. Mir stellen sich immer noch sämtliche Fußnägel auf, wenn ich daran denke. Diese Prominenten kennen anscheinend keine Scham. Wenn man schon so einen scheußlichen Geschmack hat, dann sollte man ihn wenigstens für sich behalten. Der Holztisch vor der Eckbank war auch noch gedeckt, und zwar, wie die Bildunterschrift besagte, mit dem „Papillon“-Geschirr von Hutschenreuther. Vielleicht weiß ich ja einfach nicht Bescheid, aber wenn prominent sein bedeutet, dass man in ein Kaufhaus gehen und nach dem „Sahnekännchen“ aus der „Papillon“-Reihe von Hutschenreuther fragen muss, dann nein danke.

Andererseits ist es bestimmt lustig, wenn man betrunken auf einer „TV“-Party herumwankt und plötzlich kommen ein Fotograf und eine Promi-Spotterin, verwechseln einen mit Birgit Schrowange und fragen: „Ist das Versace?“ Und in der nächsten Illu steht dann unter dem Foto „Besoffen: Birgit Schrowange (45) in Hutschenreuther“. Jenni Zylka

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