: Theaterstücke, bevor der Lektor kommt
■ Autorentheatertage zeigen: Nachwuchs hat keine Visionen, nur „böse“ Worte
Erschüttert über das Können junger deutscher Schriftsteller hat sich der Juror der Autorentheatertage in Hannover, Reinhardt Stumm, gezeigt. „Der Nachwuchs hat keine Visionen, kein Ziel, keine Botschaft“, sagte Stumm in einem dpa-Gespräch, nachdem er rund 200 Stücke junger Autoren gesichtet hatte. „Es gibt für sie nur ein Problem: Wie komme ich ins Bett und wie wieder heraus“, erklärte der Kritiker anläßlich der Theatertage in Hannover, die am Sonntag eröffnet wurden. Neben Aufführungen bekannter Dramatiker wählte Stumm vier Stücke von Nachwuchs-Autoren für Werkstattinszenierungen aus. „Kein Lektor, kein Dramaturg hatte da bislang seine Finger drin.“
„Ins Theater kommen aber nur die Autoren, die in der Lage sind, das tägliche Allerlei abzustreifen und darüber hinauszugehen“, meinte Stumm. „Im Theater müssen die Menschen zur Sprache kommen. Die Figuren eines Stückes können nicht bloß Postboten der Autoren sein.“ Doch Themen, die die Gesellschaft bewegten und betreffen, wie Arbeitslosigkeit, Gewalt, das Zusammenwachsen von Ost und West, „kommen bei den jungen Autoren einfach nicht dran“.
Problematisch sei auch, daß viele junge Schriftsteller versuchten, den Sprachstil renommierter Autoren zu kopieren. „Alle wollen heute so schreiben wie Werner Schwab, wie Peter Handke, wie Botho Strauss“, beobachtete Stumm. Heraus komme dabei eine „grobe Fäkalsprache“, die keinen Inhalt transportiere. „Ich setze einen Preis aus für das Stück, in dem nicht das Wort ,ficken' vorkommt.“
Die Autorentheatertage, die das Niedersächsische Staatstheater in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal veranstaltet, dauern bis zum 2. Juni. Im Rahmen der Werkstattinszenierungen am 1. Juni führt das Schauspiel-Ensemble „Krumme Hunde“ von Martin Baucks, „Mütternacht“ von Lisa Engel, „Hasentöter“ von Klaus Hoggenmüller und „Der graue Engel“ von Moritz Rinke auf. dpa
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