: The Making of „Psycho“
FILMIMFILM In „Hitchcock“ erzählt Sacha Gervasi die Produktionsgeschichte von „Psycho“ und zeigt, wie wichtig Hitchcocks Gattin Alma Reville für dessen Leben und Karriere war
VON WILFRIED HIPPEN
Hinter jedem großen Mann steht eine starke Frau. Dass dieser feministische Merksatz ausgerechnet auf den immer so eigenwillig und monumental wirkenden Alfred Hitchcock zutrifft, ist eine der Überraschungen des Biopics „Hitchcock“, in dem eine der unsichersten Phasen in der Hollywoodkarriere des britischen Filmemachers behandelt wird. Nach dem in seiner Art perfekten und an den Kassen sehr erfolgreichen „North by Northwest“ war Alfred Hitchcock im Zweifel darüber, was für einen Film er als Nächstes drehen sollte. Ihm fiel der Roman „Psycho“ in die Hände, der auf den Taten des Serienmörders Ed Grein basierte. Entgegen den Empfehlungen aller Freunde und Kollegen machte Hitchcock sich daran, mit dieser brutalen Vorlage etwas für ihn ganz Neues zu probieren. Der Film folgt diesem Prozess vom ersten Suchen nach einem neuen Stoff bis zur Premiere und dem Erfolg des fertiggestellten Films.
Einer der Qualitäten von „Hitchcock“ besteht darin, dass das Publikum auf einer Ebene die Geschichte und ihren Ausgang genau kennt, denn „Psycho“ wurde der größte Publikumserfolg des Regisseurs und ist in solch einem Maße Teil des kollektiven Bewusstseins geworden, dass etwa die Duschszene jedem Zuschauer aus der Erinnerung präsent sein durfte. Und so ist es hochinteressant, wenn hier detailliert und dramaturgisch geschickt erzählt wird, wie der Film entstanden ist, wer warum welche künstlerischen Entscheidungen getroffen hat und gegen welche Widerstände Hitchcock sich durchsetzten musste. Stilistisch ist „Hitchcock“ als eine Komödie angelegt, bei der viele Szenen und Dialoge auf eine Pointe hin inszeniert sind. Auch dabei wird Hitchcocks Stil meist gut getroffen. So werden etwa gleich mehrere von seinen Selbstinszenierungen in Kinotrailern und Fernsehshows zitiert und dabei wird deutlich, wie unterhaltsam Hitchcock nicht nur in seinen Filmen sondern auch als öffentliche Figur war. Als eine Art running gag kommt immer wieder zur Sprache, dass sowohl die Studiobosse wie auch Hitchcock selbst damals der Meinung waren, er wäre mit seinem Film „Vertigo“ gescheitert, weil dieser an den Kinokassen nicht gut lief. Heute gilt er dagegen bei den meisten Kritikern als sein bestes Werk.
Zum Teil sind die Darsteller ihren Vorbildern erstaunlich ähnlich wie etwa James D’Arc, der Anthony Perkins verkörpert, meist überzeugen sie aber eher dadurch, dass sie deren Temperament und Ausstrahlung projizieren können, wie dies Scarlett Johansson in der Rolle von Janet Leigh gelingt. Auch Anthony Hopkins sieht nicht im Entferntesten wie Alfred Hitchcock aus, doch wie schon in „Nixon“ kann er sich auch hier wieder so in den Charakter einfühlen und dessen Körpersprache nachahmen, dass der Zuschauer ihn schon bald als diese so ikonografische Figur akzeptiert.
Mit Helen Mirren in der Rolle von Hitchcocks Gattin Alma Reville hat der Regisseur Sacha Gervasi Hopkins eine ihm ebenbürtige Partnerin an die Seite gestellt, denn hier wird zwar sehr präzise und unterhaltsam die Entstehungsgeschichte von „Psycho“ erzählt, aber sie bildet letztlich eher den Hintergrund fürs Drama im Kern des Films, und dies ist die komplizierte und künstlerisch sehr fruchtbare Beziehung zwischen Hitchcock und Alma Reville. Der Egomane mit seinen sadistischen und voyeuristischen Tendenzen und die hochintelligente, liebevolle und strapazierfähige Partnerin im Hintergrund werden hier als ein faszinierendes Paar dargestellt, das künstlerisch hocheffizient und nach all den Jahren leidenschaftlich zusammenlebt und deren Ehe alles andere als in Routine erstarrt ist. Mit den grandiosen Darstellern, einem smarten, oft sehr witzigen Drehbuch und einer souveränen Regie bietet „Hitchcock“ einen verblüffend neuen Blick auf den Meister des Suspense, der dann schließlich mit einer Schlusspointe diesem Ehrentitel auch noch einen ganz anderen Sinn gibt.