Thailändische Webmasterin festgenommen: Im Knast wegen Majestätsbeleidigung
Am Freitag wurde in Thailand eine regimekritische Webmasterin verhaftet. Ihr drohen bis zu 50 Jahre Gefängnis.
BANGKOK taz | Es war eine äußerst unangenehme Heimkehr für Chiranuch Premchaiporn: Die 43-Jährige war am Freitag auf Bangkoks Flughafen Suvarnabhumi verhaftet worden, als sie von einer internationalen Internetkonferenz zurückkam. Chiranuch, Webmasterin des populären thailänischen Onlineportals Prachatai, wurde anschließend für die Befragung durch die Polizei in die knapp 450 Kilometer von Bangkok entfernte Provinz Khon Kaen verfrachtet. Dort war auch der Haftbefehl ausgestellt worden. Erst nachdem sie eine Kaution hinterlegt hatte, kam sie am Samstag auf freien Fuß.
Die Vorwürfe gegen Chiranuch wiegen nach thailändischer Gesetzeslage schwer: Majestätsbeleidigung und Verstöße gegen das Computerkriminalitätsgesetz. Letzteres war 2007 auf den Weg gebracht worden - in jenem Jahr nach dem jüngsten militärischen Staatsstreich, als im Lande eine von den Putschisten eingesetzte Regierung herrschte. Vordergründig wollte man damit Pornografie und Internetkriminalität den Kampf ansagen.
Doch seitdem wird immer deutlicher, dass dieses Gesetz dazu missbraucht wird, um im Namen der nationalen Sicherheit die Meinungsfreiheit zu beschneiden. Besonders heikel sind Äußerungen über das Königshaus. In Thailand gibt es die wohl striktesten Gesetze wegen Majestätsbeleidigung - ein Schuldspruch kann bis zu 20 Jahre Haft oder mehr bedeuten.
Worum es genau bei ihrer jüngsten Festnahme ging, weiß Chiranuch nicht. Bisherigen Informationen zufolge soll der Haftbefehl im September 2009 ausgestellt worden sein. "Ich frage mich, warum ich nicht zuvor deswegen befragt worden bin oder warum ich keine Informationen darüber erhalten habe", sagt Chiranuch der taz. Zudem stellt sich die Frage, warum die Polizei sich derart lange Zeit gelassen hat, die Webmasterin festzusetzen, zumal sie den Autoritäten längst bekannt ist.
Chiranuch, die sämtliche Vorwürfe bestreitet, ist nicht zum ersten Mal ins Visier der Behörden geraten. Im März 2009 durchsuchte die Polizei das Büro von Prachatai und verhaftete die Webmasterin. Ihr "Vergehen": Sie hatte von anderen Nutzern im Prachatai-Webboard geschriebene Kommentare, die nach Ansicht der Autoritäten die Monarchie verunglimpften, für den Geschmack der Zensoren nicht rasch genug gelöscht. Prachatai gilt als unabhängig und als Plattform, auf der Kritik an der jetzigen, von Thailands konservativer Elite gestützten Regierung geübt wird. Im Zuge des Ausnahmezustands war die Webseite seit April gleich mehrfach blockiert worden.
Ende März 2010 wurde Chiranuch offiziell angeklagt - und hatte damals fast vier Stunden hinter Gittern verbringen müssen. Insgesamt hat sie etwa zehn Klagen am Hals, die ihr 50 Jahre Haft einbringen könnten. Menschen- und Medienrechtler sind empört über das Vorgehen der thailändischen Regierung. Reporter ohne Grenzen forderte dazu auf, die Anklagen gegen Chiranuch sofort zurückzuziehen. Ähnlich äußerte sich das Komitee zum Schutz von Journalisten: "Die Regierung sollte aufhören, Antimonarchie-Vorwürfe dazu zu benutzen, um legitime Kritik zu unterdrücken."
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit