Teure Polizeieinsätze in Berlin: 1. Mai kostet 5 Millionen Euro
Die Ausgaben für die Polizeieinsätze rund um den 1. Mai werden von Jahr zu Jahr höher. Das zeigen Zahlen, die auf Betreiben der taz nun erstmals öffentlich werden.
BERLIN taz | Der 1. Mai belastet zunehmend die Landeskasse. Seit 2006 haben sich die Kosten für die Polizeieinsätze rund um den Demonstrationstag fast verdoppelt. Das geht aus Zahlen hervor, die die Polizei auf Betreiben der taz nun erstmals veröffentlicht hat. Beziffert die Behörde die Kosten des Mai-Einsatzes von 2006 noch auf 2,9 Millionen Euro, so kostete der Einsatz im Jahr 2010 bereits 5 Millionen Euro.
Rund um den 1. Mai hat die Polizei in Berlin viel zu tun. Nicht nur die traditionellen Ausschreitungen machen ihr Arbeit. Gewerkschaften zieht es genauso auf die Straße wie linksradikale Gruppierungen. 2010 gab es auch noch eine große NPD-Demonstration. Zudem müssen die Veranstaltungen in der Walpurgisnacht oder das MyFest in Kreuzberg abgesichert werden.
Auskünfte über die Einsatzkosten hatte die Polizei in der Vergangenheit stets abgelehnt. Die taz hielt dies für nicht gedeckt vom Landespressegesetz. Nach einer Beschwerde bei der Innenverwaltung wies der Senat das Polizeipräsidium an, die Zahlen zu veröffentlichen.
Demnach kostete die Polizei der Einsatz im Jahr 2006 noch rund 2,9 Millionen Euro, im Jahr 2007 rund 2,8 Millionen Euro und stieg dann jährlich an. Für das Jahr 2008 beziffert die Polizei ihre Kosten auf rund 3 Millionen Euro, 2009 auf rund 3,2 Millionen. Der teuerste Einsatz folgte 2010 mit rund 5 Millionen Euro. Die Berechnung für dieses Jahr sei noch nicht abgeschlossen, teilte ein Sprecher mit.
Aus der Anzahl der eingesetzten Beamten und der Gesamtarbeitsstunden lässt sich allerdings schließen, dass diese den Kostenrekord von fünf Millionen Euro noch übersteigen dürften. Für die Steigerung ist die seit 2008 zunehmende Anzahl eingesetzter Beamten verantwortlich. Waren 2006 noch 5.000, 2007 rund 4.700 und 2008 rund 4.600 Polizeibeamte im Einsatz, so waren es 2009 rund 5.800 Beamte und 2010 sowie 2011 gar rund 7.400.
40 Prozent aus anderen Bundesländern
Dafür wurde der Anteil von Polizisten, die aus anderen Bundesländern zur Unterstützung angefordert wurden, massiv erhöht. Von 2006 bis 2009 machten Beamte aus anderen Bundesländern zwischen 21 und 28 Prozent der eingesetzten Kräfte aus. In den letzten beiden Jahren stellten sie 40 Prozent aller Kräfte. Bei der Räumung des Hausprojektes "Liebigstraße 14" im Februar dieses Jahres waren gar 50 Prozent der Beamten nur Gäste aus anderen Ländern.
Sprunghaft gestiegen sind damit auch die Kosten, die das Land Berlin für die Entleihung von Beamten an andere Länder überweisen musste. Bis zum Jahr 2009 fielen jeweils rund 1 Million Euro an, 2010 waren es über 2,6 Millionen Euro.
Zu erklären ist der Ansprung, weil am 1. Mai 2010 neben den üblichen Demonstrationen auch ein Großaufmarsch von Neonazis in Berlin stattgefunden hatte. Auffällig ist jedoch, dass die Zahl der eingesetzten Beamten 2011 auf diesem hohem Niveau blieb, obwohl es diesmal keine derartige Ausnahmesituation gab. Die Polizei erklärt das damit, dass sie sich auch 2011 "auf vielfältige Lageentwicklungen vorbereitet" habe.
Nach dem Einsatz hatte die Polizei davon gesprochen, dass der 1. Mai so friedlich wie seit Jahren nicht mehr gewesen sei. Auch Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte sich mit dem Verlauf hoch zufrieden gezeigt. Überhaupt hat die Gewalt rund um den 1. Mai in den letzten Jahren eher abgenommen.
Gewerkschaft begrüßt Transparenz
Massiv gestiegen ist dagegen die Zahl der Einsatzkräftestunden. Das ist die Gesamtzahl der Arbeitsstunden der eingesetzten Polizisten. Sie stieg von 64.000 im Jahr 2006 auf knapp 90.000 in diesem Jahr.
Die Einsatzkräftestunden sind laut Polizei eine wesentliche Grundlage für die Berechnung der Gesamtkosten. Dafür werden zunächst die Arbeitsstunden der Berliner Einsatzeinheiten mit den Personal- und Arbeitsplatzkosten eines durchschnittlichen Vollzugsbeamten multipliziert. Schließlich werden die ermittelten Kosten der Versorgung, Unterbringung und Abrechnung von Unterstützungskräften aus anderen Bundesländern hinzuaddiert.
Der Sprecher der Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP), Klaus Eisenreich, begrüßte die Veröffentlichung der Zahlen. "So umfänglich wurden die bislang nicht ermittelt und veröffentlicht", sagte Eisenreich. "Es ist wichtig, dass die Polizei hier nun zu einer Transparenz beiträgt, die es vorher nicht gegeben hat, und dass sie eine öffentliche Diskussion nun zulässt." Nun könne etwa öffentlich diskutiert werden, ob es sich lohne, zu Großeinsätzen massiv Kräfte aus anderen Bundesländern anzufordern "oder ob nicht in den Ländern mehr Kräfte eingestellt werden müssten, um tatsächliche Kosten zu reduzieren", sagte Eisenreich. Die Gewerkschaft hatte zuvor wiederholt die Veröffentlichung konkreter Kosten für die Einsätze rund um den 1. Mai gefordert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“