: Terror in Madrid erschüttert ganz Europa
Bei einer Serie von Bombenanschlägen auf drei Bahnhöfe in der spanischen Hauptstadt sterben mehr als 186 Menschen und über 1.000 werden verletzt. Attentate erfolgten drei Tage vor den Parlamentswahlen. Regierung macht baskische ETA verantwortlich. Politiker in Europa verurteilten die Anschläge
MADRID dpa/afp/ap ■ Bei der verheerendsten Serie von Bombenattentaten in der Geschichte der EU sind drei Tage vor der spanischen Parlamentswahl in Madrid fast 200 Menschen getötet worden. Dazu wurden über 1.000 verletzt, als auf dem Höhepunkt des morgendlichen Berufsverkehrs zehn Bomben in Zügen und Bahnhöfen der spanischen Hauptstadt explodierten.
Drei Sprengsätze zerrissen um 7.35 Uhr die Waggons eines Nahverkehrszuges, als er in den Bahnhof Atocha einlief. Die Station ist ein Knotenpunkt für Pendler und wird auch von Fernzügen und der U-Bahn bedient. Weitere Bomben explodierten in der folgenden halben Stunde in zwei weiteren Bahnhöfen Madrids. Drei weitere Sprengsätze wurden von der Polizei kontrolliert zur Explosion gebracht.
Stundenlang wurde über die Urheber der Anschläge gerätselt, doch am Nachmittag machte Spaniens Innenminister Ángel Acebes die baskische Separatistenorganisation ETA für die Bombenattentate verantwortlich. Dies ergebe sich aus der Art des verwendeten Sprengstoffs, erklärte ein Sprecher des Innenministeriums. Laut Antiterrorexperten in Madrid wurde als Sprengstoff Dynamit verwendet, das die ETA üblicherweise benutzt. Die Attentäter hätten offenbar Zeitzünder eingesetzt. Die Sprengsätze seien möglicherweise sowohl in Zügen als auch auf den Bahnsteigen platziert worden. Ermittlern zufolge wurden die Bomben in Rucksäcken versteckt. Erst kurz vor Weihnachten hatte die Polizei durch die Festnahme zweier Verdächtiger einen Anschlag mit einem in einem Zug versteckten präparierten Rucksack verhindert. Vor zwei Wochen vereitelte die Polizei einen mutmaßlich in Madrid geplanten Anschlag der ETA, indem ein mit einer halben Tonne Sprengstoff beladener Lkw gestoppt wurde.
Im Bahnhof Atocha bot sich nach Berichten von Rettungskräften ein furchtbares Bild. „Auf den Bahnsteigen lagen überall Körper, Beine und Arme“, sagte ein Sanitäter. Die Krankenhäuser riefen die Bevölkerung zu Blutspenden auf.
Weltweit löste der Terrorakt Entsetzen, spontane Solidaritätsbekundungen und Beileidserklärungen aus. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte, es sei für jeden normal denkenden Menschen völlig unmöglich, diese Anschläge in vollem Umfang zu begreifen. Außenminister Joschka Fischer (Grüne) äußerte Trauer über die „verabscheuungswürdigen Terrorakte, die so viele Opfer gefordert haben“. Spaniens Ministerpräsident José María Aznar sagte nach einer Dringlichkeitssitzung der Regierung: „Wir werden die Terrorbande erfolgreich zur Strecke bringen.“ Er rief die spanische Bevölkerung für heute Abend zu Trauerkundgebungen auf, der Wahlkampf wurde ausgesetzt.
Der Vorsitzende der verbotenen nationalistischen baskischen Partei Batasuna, die als politischer Arm der ETA gilt, machte dagegen arabische Extremisten für die Anschlagsserie verantwortlich. Batasuna-Chef Arnold Otegi wies darauf hin, dass ETA in der Vergangenheit stets mit Telefonanrufen vor Anschlägen gewarnt habe. Vor den Bombenexplosionen am Donnerstag ging nach Angaben des Innenministeriums aber keine Warnung ein. „Wegen des Modus Operandi und der hohen Opferzahl glaube ich, dass es eine Zelle aus dem arabischen Widerstand gewesen sein könnte“, zitierte die spanische Nachrichtenagentur Efe den Batasuna-Vorsitzenden. Der bislang schwerste Anschlag der ETA kostete 1987 in Barcelona 21 Menschen das Leben.
Bundesinnenminister Otto Schily bot Spanien Hilfe an, unter anderem die Entsendung von Tatortspezialisten des Bundeskriminalamtes (BKA) zur Untersuchung der Spuren. Bis zum Donnerstagmittag lagen keine Hinweise auf deutsche Staatsangehörige unter den Opfern vor. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amts sagte, die deutsche Botschaft stehe in Kontakt mit den spanischen Behörden.
Der britische Premierminister Tony Blair sagte, die Anschläge unterstrichen die Bedrohung vieler Länder durch den Terrorismus. Der EU-Beauftragte für Außenpolitik, Javier Solana, forderte die Europäer auf, zusammenzustehen. „Ich hoffe, dass sich alle Bürger Europas heute mit den Bürgern Spaniens zusammenschließen, um den Terrorismus weiter entschlossen zu bekämpfen“, sagte er. EU-Parlamentspräsident Pat Cox nannte die Anschläge eine Kriegserklärung an die Demokratie. „Dies ist gemessen an den Folgen der schlimmste Terroranschlag in der Geschichte Spaniens, es ist der schlimmste Terroranschlag in der Geschichte aller europäischen Staaten“, sagte Cox.
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