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■ TennisBig Mac: Der plötzliche Rücktritt vom Rücktritt

„Seien Sie dabei bei der Abschiedsgala von John McEnroe“, köderte der Veranstalter des Münchner Grand Slam Cups sein Publikum. Pustekuchen! Der Betroffene ist da ganz anderer Meinung. „Ich erkläre hier nicht meinen Rücktritt“, sagte der 33jährige „Altmeister“ nach dem mit 6:3, 4:6, 2:6 verlorenen Match gegen den Kroaten Goran Ivanisevic. „Ich werde etwas beiseite treten, aber ich will mir meine Optionen offenhalten“, dozierte der New Yorker, vorher befreit von allen giftigen Fragen zu seiner Ehekrise, nachdem ihn der Veranstalter mit der Ankündigung präsentiert hatte, daß McEnroe „nur Fragen zum Tennis beantwortet“.

Dabei sprach alles für das Abschiedsspiel. Die Olympiahalle, obwohl nicht so randvoll wie am Nachmittag zuvor bei Andre Agassi, als sich 10.000 Münchner bereits um 15 Uhr „arbeitslos“ auf den Tribünen vergnügten, bot den passenden Rahmen. Big Mac kämpfte dann auch wie gewohnt, zauberte, ließ seine Fans mit ihm leiden und pöbelte kaum. Er glänzte mit dem, was er schon immer brillant beherrschte, gefühlvolle Volleys und Lobs, und gewann den ersten Satz gegen Goran Ivanisevic („John ist immer noch ein Top-Spieler“), den Haudrauf der Gilde. Als Ivanisevic dann Ernst machte und nicht nur seine Aufschläge kanonierte, sondern John McEnroe („Sein zweiter Aufschlag ist so gewaltig wie das erste Service von 50 Prozent aller Spieler“) auch mit knallharten Returns ärgerte, resignierte das Tennis-Genie. McEnroe, der in 17 Profijahren etwa 13 Millionen Mark an Preisgeld zusammenspielte, blieb der Scheck über 300.000 Dollar für seinen Erstrundensieg, den er einer wohltätigen Einrichtung zur Verfügung stellen will.

Kein Rücktritt, aber trotzdem Coach von Andre Agassi? John McEnroe äußerte dazu noch nichts Definitives, nur daß er sich „als freundschaftlicher Ratgeber“ sieht. Doch alles spricht für das Medien-Traumpaar Agassi-McEnroe.

So ließ sich McEnroe am Vortag bei der Pressekonferenz entschuldigen und verfolgte das Agassi- Match gegen Chang von der Tribüne aus. „John ist jemand, der mich mental so einstellen kann, daß ich jedes Spiel, jedes Turnier gewinnen kann“, verspricht sich der 22jährige Andre Agassi sehr viel von der Zusammenarbeit mit dem dreifachen Wimbledonsieger.

Agassi zog trotz vieler Flops eine positive Jahresbilanz: „So ein Jahr wünsche ich mir immer.“ Dabei denkt er an Wimbledon und den Davis-Cup. Doch auch ein Andre Agassi will mehr: „Natürlich hatte ich einige glänzende Wochen, aber insgesamt waren dies zu wenige.“ Er strebt nach einem „kompletteren, großen Jahr“, um sich in der Weltrangliste zu verbessern und „eines Tages vielleicht der Beste zu sein“. 1993 soll es losgehen. Agassi legt nicht wie gewohnt eine Pause ein, sondern beginnt mit dem Training für die Australien-Open Mitte Januar, die er in sechs Jahren Profidasein bisher immer gemieden hatte.

Konkretes ist mit McEnroe allerdings noch nicht ausgehandelt. Das soll passieren, wenn dieser die Ruhe findet, „sich darauf zu konzentrieren“, so Agassi, der weiß, daß McEnroes Gedanken „zur Zeit ganz woanders sind“, sprich bei dessen privaten Problemen.Karl-Wilhelm Götte

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