piwik no script img

TempelhofHier ruht in Frieden Tempelhof

Egal wie der Volksentscheid am Sonntag ausgeht: Ein Weiterbetrieb des Flughafens Tempelhof ist rechtlich fast unmöglich, sagen Juristen. Die Befragung der Wähler komme um Jahre zu spät.

Hier ist bald Ruhe, komme was wolle: der Noch-Flughafen Tempelhof Bild: AP

Die Freunde des Flughafens Tempelhof bekamen unerwarteten Beistand. Ausgerechnet Gregor Gysi, einer der prominentesten Vertreter der Linkspartei, war am Mittwoch als rhetorischer Tiefflieger zur Flotte von CDU, FDP und der Initiative City-Airport Tempelhof (Icat) gestoßen: "Man kann nicht erst für Volksentscheide sein und sie dann ignorieren, wenn er nicht das gewünschte Ergebnis bringt", sagte Gysi. Wenige Stunden später dementierte der Jurist kleinlaut: Man müsste das Ergebnis zwar respektieren, könnte es aber aus rechtlichen und anderen Erwägungen nicht umsetzen.

Seine Kollegen geben Gysi recht: Egal wie der Volksentscheid am Sonntag ausgeht - ab November dürfe in Tempelhof kein Flugzeug mehr starten oder landen, sagt etwa der renommierte Berliner Anwalt für Verwaltungsrecht, Karsten Sommer. Dann erlischt nämlich die Genehmigung für den Betreiber, die Berliner Flughafengesellschaft. "Das Volksbegehren kommt fünf Jahre zu spät", urteilt Sommer. Er berät die Flughafengegner der Bürgerinitiative "Flugfreies Tempelhof" (Bift). Die hat angekündigt, gegen eine eventuelle Verlängerung der Genehmigung zu klagen.

Auch Flughafenbefürworter Elmar Giemulla, Luftverkehrsexperte der Technischen Universität, sagt: "Wenn die Genehmigung einmal erlischt, dann ist sie weg." Giemulla wurde wiederholt von der Icat ins juristische Rennen geschickt.

Die Flughafengesellschaft (BFG) selbst hatte den Antrag auf Schließung von Tegel und Tempelhof gestellt - damit Schönefeld zum Großflughafen ausgebaut werden kann. Der Senat hatte dem Antrag 2003 politisch stattgegeben, juristisch wurde er 2007 in letzter Instanz vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt. Die BFG, die von Berlin, Brandenburg und dem Bund getragen wird, habe keinerlei Interesse, die Lizenz zu verlängern, stellt deren Sprecher, Ralf Kunkel, klar. "Da sind sich die drei Gesellschafter absolut einig."

Nur eine Chance bliebe, um Tempelhof zu retten: Ein neuer Betreiber müsste gefunden werden, der die laufende Genehmigung übernimmt, rät Giemulla. Allerdings müssten Antrag und Verfahren vor dem 31. Oktober abgeschlossen sein. Sonst wird Tempelhof für immer zur Wiese.

Davon geht Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) fest aus. Ihr untersteht die Oberste Luftfahrt- und Luftsicherheitsbehörde, die die Genehmigung erteilt. Und derzeit liege überhaupt kein Antrag vor, sagt eine Sprecherin: "Es ist so gut wie ausgeschlossen, dass der Flugbetrieb weitergeht."

Um politisch aus dem Spiel und juristisch auf der sicheren Seite zu sein, hat der Senat dem Tempelhofer Feld zusätzlich den Status "Flughafen" entzogen. Das heißt, die Fläche darf nicht mehr als Flughafen genutzt werden. Gegen diese Entwidmung klagt die Icat derzeit.

Icat und CDU machen die Zukunft Tempelhofs ungeachtet juristischer Bedenken zu einer Frage des politischen Willens. Sollten mehr als 610.000 Menschen am Sonntag für den Flughafen stimmen, müsse der Senat den Schließungsbescheid zurücknehmen. Die Prognosen sehen derzeit eine Pro-Tempelhof-Mehrheit. Auch von ganz rechts stehen die Flughafenfreunde inzwischen unter "friendly fire": Sogar die NPD wirbt mit Plakaten für die Offenhaltung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • HK
    Heinrich Krüger

    Warum muss Wowereit einem wie immer zahlenmäßig ausgehenden Bescheid nicht folgen? Die Flieger selbst räumen ihm diese Möglichkeit ein, denn im Abstimmungstext steht nur, dass es sich um eine Aufforderung an den Senat handelt. Der Landesregierung ist also von den Fliegern ein Entscheidungspielraum gelassen worden. Der Eindruck den die Flieger aber erwecken wollen ist der: Die Regierung hat gar keine andere Möglichkeit als nur dem Fliegerwillen zu folgen. Das ist ein folgenschwerer Irrtum der Flieger. Die Hälfte der Aufforderung ist ohnehin von vornherein rechtswidrig, weil sie die Rechte Dritter betrifft, nämlich der Flughafengesellschaft (Widerruf der Betriebsgenehmigung). Außerdem wird nach dem Entscheid noch eine weitere richterliche Entscheidung anstehen, nämlich, ob die Entwidmung des Flughafen zu Ende Oktober rechtlich einwandfrei ist. Der Senat sollte sich nach dem Entscheid Zeit lassen und das weitere Urteil abwarten.