: Teltowkanal: 3 Tonnen Fisch erstickt
■ Wolkenbrüche bringen Mißstände in West-Berlins und Potsdams Abflußrohren an die Wasseroberfläche / Hilft Beatmung?
Kleinmachnow. Binnenschiffe und Sportyachten, die gestern die Schleuse Kleinmachnow passieren wollten, mußten sich vorher durch Tausende von toten Fischen drängeln. Mitarbeiter der Potsdamer Wasserwirtschaftsdirektion Oder/ Havel standen am Rand der Schleusenanlagen und schaufelten eine ganze Tonne Rotfedern, Bleien und Aale aus dem stinkenden See und beerdigten sie in Mülltonnen. „Das ist das einzige, was der Umweltdezernent organisieren konnte“, gesteht Kleinmachnows zweiter Bürgermeister, Wolfgang Blaseg (Bündnis 90), hilflos ein. Fischfriedhof ist die nächstgelegene Hausmülldeponie.
Das Fischsterben begann am vergangenen Samstag, berichten Anwohner des Kanals. Nach schweren Regengüssen am Freitag schwemmte die überforderte Kanalisation in West-Berlin und Umgebung sauerstoffzehrende Nährstoffe statt in die Kläranlagen in den Kanal. „Ab dem Zehlendorfer Stichkanal lief eine Schmutzwasserwelle los“, erklärte Lothar Jörgensen, Biologe des Westberliner Fischereiamtes, gestern der taz. Für insgesamt drei Tonnen Fische, die vor dem nahenden Erstickungstod flüchteten, gab es vor der Schleuse im Kleinmachnower See kein Entrinnen mehr.
Auf Platzregen sind die veralteten Abwasserkanäle nicht vorbereitet. Der Regen wäscht erst den Straßenasphalt sauber, und in den unterirdischen Abflußrohren vermischt sich das Schmutzwasser ab einem gewissen Wasserstand mit dem Abwasser aus Haushalten (Fäkalien, Waschpulver) - und dann werden auch die Haushaltsabwässer in den Kanal gespült. Im Kreis Potsdam sind die Probleme ähnlich. Durch die warmen Tage war der Sauerstoffgehalt im Teltowkanal ohnehin schon auf acht Milligramm gesunken. Die aus der Kanalisation kommenden Stickstoffe und Phosphate gaben dem Wasser den Rest. „Ab vier Milligramm Sauerstoff auf ein Liter Wasser fangen Hechte und Zandern mit der Notatmung an“, so Fischereibiologe Jörgensen, die „toleranteren Arten“ erst ab zwei Milligramm. Derzeit ist der „O2„-Gehalt wieder auf acht Milligramm gestiegen. Das geklärte Abwasser der Stahnsdorfer Kläranlage muß mindestens 25 Milligramm O2 pro Liter enthalten, damit es in den Kanal fließen darf.
Für den Teltowkanal seien Sanierungsmaßnahmen geplant, versprach gestern der Referent der Westberliner Umweltverwaltung Thomas Schwilling. In den nächsten Jahren sollen verstärkt Becken gebaut werden, in denen plötzlich anfallendes Regenwasser zurückgehalten werden kann. Die vorhandenen reichen nicht aus. Sammelbecken sind geplant, aus denen das Wasser nicht in die Kanalisation, sondern in die Wohnungen fließt - zur Wiederverwendung bei der Klospülung. Im Teltowkanal sind bereits eine Art Beatmungsschläuche gelegt, aus denen Sauerstoff in die Kloake gepumpt wird. Der Leiter des Hauptlabors der Potsdamer Wasserwirtschaftsdirektion Oder/Havel, Helmut Klose, würde diese rettenden Schläuche auch gerne verlegen lassen. „Wir lassen uns technisch beraten“, so Klose, „aber wahrscheinlich scheitert das Vorhaben am Geld.“
Dirk Wildt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen