Telekom setzt auf Halbleiter: Der Alte und der alte Neue
Ron Sommer wird wohl formal Telekom-Chef bleiben. Ein Hinauswurf wäre zu teuer
BERLIN taz ■ Die Nachricht ist raus: Am Dienstag entfernt der Aufsichtsrat der Deutschen Telekom AG Ron Sommer möglichst schnell aus seinem Amt. Und beruft einen Übergangsnachfolger – weil alle Wunschkandidaten aus der deutschen Industrie abgesagt haben, den langjährigen Telekom-Vorstand Gerd Tenzer.
Schon zum Amtsantritt vor sieben Jahren war Ron Sommer klar, dass er in der Baustelle Telekom mit vielen Unwägbarkeiten rechnen muss. Wie in seinem ganzen Leben bisher.
Ron Sommer war schon immer und zwangsläufig ein globalisierter Mensch. Aufgewachsen in Haifa und Wien, seine Eltern aus Russland und Deutschland vor den Nazis geflohen. Sein Mathematikstudium absolvierte er in Rekordzeit und promovierte 1971 als 21-Jähriger. Danach ging er sofort in die Wirtschaft, von Wien über die USA zur damaligen deutschen Star-Computerfirma Nixdorf. Dann 1980 zum Sony-Konzern, wurde später Europa-Vizechef des Elektronikriesen.
Im Mai 1995 nimmt er die große Herausforderung an: Die Bundesregierung sucht einen Chef für den Telefonteil der ehemaligen Deutschen Bundespost. Ein Mann mit internationalem Flair soll der neu gegründeten Deutschen Telekom AG den Weg in die Topetage der Weltkonzerne weisen: Ron Sommer.
Im Vorstandsbüro trifft er einen Übergangskandidaten an, Wilhelm Pällmann. Wie später bei Ron Sommers Abgang hatte nämlich Telekom-Chef Helmut Ricke im Dezember 1994 überraschend schnell seinen Stuhl verlassen, so dass während der eiligen Nachfolgersuche der damaligen Kohl-Regierung ein Übergangsmann aus der zweiten Reihe installiert werden musste. Die Geschichte wiederholt sich.
Nun sucht der Aufsichtsrat und damit auch die Bundesregierung händeringend einen Nachfolger für Ron Sommer. Also muss der alte Telekom-Soldat Tenzer ran. Der 59-Jährige ist studierter Nachrichtentechniker, arbeitete seit 1970 mal beim Postministerium, mal bei der Bundespost und seit 1990 im Vorstand der Telekom. Zuletzt war er als Technikvorstand für den Betrieb der gesamten Netze verantwortlich. Aber Tenzer hat weder den Ruf noch die Vorbildung des genialen Strategen, den die Telekom jetzt braucht.
Also wird er nur als Übergangskandidat gehandelt, in doppeltem Sinne: Denn Ron Sommer bleibt virtuell und finanziell auf dem Chefposten in Bonn sitzen. Schließlich läuft sein Vertrag (Grundgehalt: ca. 2,5 Mio. € im Jahr) bis zum Jahr 2005. Und ein laut Aktiengesetz für eine Abberufung nötiger „wichtiger Grund“ wie etwa eine grobe Pflichtverletzung liegt nicht vor. Darüber hinaus hat der Aufsichtsrat einen Optionsplan abgesegnet, der den acht Telekom-Vorständen allein für das Jahr 2001 die stolze Zahl von 1,74 Millionen Aktien für einen niedrigen Festpreis zukommen lässt. Je nach Kursentwicklung kostet das hunderte von Millionen Euro.
Das sichert Ron Sommer gegen einen eventuellen Arbeitsgerichtsprozess erst einmal ab. Ein Rechtsstreit mit solchen Summen produziert Schlagzeilen, die jedem Politiker eine Gänsehaut machen. Also wird der einstige Star wohl beurlaubt werden, die genaue Höhe der Millionenabfindung und der Abschiedstermin werden dann nach der Wahl geregelt.
Im Teufelskreis der Schulden
Wie steht es eigentlich um die Deutsche Telekom? Und was kann Ron Sommers Nachfolger tun?
BERLIN taz ■ Eigentlich erfüllte Ron Sommer die Erwartungen nach seinem Amtsantritt im Mai 1995 meist hervorragend. Hunderttausende von Mitarbeitern wurden von Staat auf privat umgepolt, zehntausende von Stellen jährlich abgebaut – ohne Streiks. Sommer gründete die Töchter T-Mobile und T-Online und sortierte auch sonst den Konzern nach internationalen Maßstäben neu.
Ähnlich gut lief auch der größte Börsengang in der europäischen Börsengeschichte: Am 16. November 1996 gingen Millionen T-Aktionäre an die Börse und erhielten Telekom-Anteile zu einem Stückpreis von 28,50 Mark, etwa 14,50 Euro. Die Republik wurde für einige hundert Millionen Mark und mit Hilfe des alldeutschen Schauspielers Manfred Krug in die Telekom-Farbe Magenta getaucht, der Aktienkurs ging nach oben. Etwa 15 Milliarden Mark gaben vor allem Kleinaktionäre für die erste Tranche der Telekom aus.
Schwieriger wurde es dann ab 1998, als das Telefonmonopol der Telekom auch bei Privatkunden und Ferngesprächen per EU-Beschluss auslief und die private Konkurrenz in Deutschland erfolgreich um Kunden buhlte. Allerdings sorgte das Handy-Geschäft mit der Marke D 1 und die explodierenden Onlinezahlen für Ausgleich.
Im Juni 1999 dann, beim zweiten Börsengang, verkaufte die Telekom 500 Millionen neue Aktien und nahm damit sagenhafte 35 Milliarden Euro ein. So weit war der Kurs der T-Aktien gestiegen. Doch die Telekom jedenfalls begann an Rädern zu drehen, die ein paar Nummern zu teuer waren. Da sollte die Telecom Italia übernommen werden, zum erklärten Ärger des bisherigen Partners France Télécom. Die Telecom Italia ging an Olivetti, und die Franzosen kündigten jede weitere Zusammenarbeit auf. Zu astronomischen Preisen kaufte Sommer Firmen. So kostete allein Großbritanniens viertgrößter Handyvertreiber One 2 One etwa 10 Milliarden Euro.
Als Mühlstein am Hals der Telekom erweist sich Voicestream. Nach derzeitigen Schätzungen kostete der Kauf des sechstgrößten (!) US-Mobilfunkanbeiters im Sommer 2000 etwa 33 Milliarden Euro – bezahlt mit 22 Prozent der Telekomaktien und der Übernahme mehrerer Milliarden Dollar Schulden. Für eine Firma, die noch jahrelang mit einem Milliardenminus die Bilanz der Telekom rot färben wird.
In den Sommer 2000 fiel auch der UMTS-Irrsinn. Die Telekom trieb die Preise der sechs bundesweiten Lizenzen um 18 Milliarden auf 50 Milliarden Euro nach oben, weil sie unbedingt noch einen Konkurrenten zum Aufgeben zwingen wollte.
Alles in allem hat die Telekom nach eigenen Angaben von 1999 bis 2001 mehr als 100 Milliarden Euro investiert – in den Netzausbau, in Firmenkäufe, in UMTS. Nun sitzt sie auf einem Schuldenberg von derzeit wohl etwa 65 Milliarden Euro. Das treibt den Aktienkurs immer weiter nach unten. Damit werden die neuen Kredite bei den ständig laufenden Umschuldungen teurer. Ein Teufelskreis. Egal, wie der oberste Chef heißt. REINER METZGER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen