: Teheran wollte Mykonos-Prozeß verhindern
■ Schmidbauer: Geheimdienstminister bat um Niederschlagung des Prozesses
Die iranische Regierung hat nach Aussage des deutschen Geheimdienstkoordinators Bernd Schmidbauer (CDU) versucht, den Berliner Mykonos-Prozeß zu verhindern. Kurz vor Beginn des Prozesses Anfang Oktober 1993 habe der Teheraner Geheimdienstminister Ali Fallahijan bei Verhandlungen in Bonn gebeten, die Bundesregierung möge den Prozeß „niederschlagen“ oder „verhindern“, sagte Schmidbauer gestern vor dem Kammergericht. Dies sei von der deutschen Seite unter Hinweis auf die Unabhängigkeit der Justiz strikt abgelehnt worden, sagte er als Zeuge in dem Prozeß um den Anschlag vom September 1992.
Schmidbauer hatte im Oktober vor dem Bundestag erklärt, die Mykonos-Morde seien mit Fallahijan nicht erörtert worden. In dem Gespräch sei es vielmehr „vorwiegend um humanitäre Angelegenheiten“ gegangen wie etwa um die Freilassung von im Iran festgehaltenen Deutschen. Das Treffen zwischen Schmidbauer und Fallahijan, der nach Ermittlungen der Bundesanwaltschaft das Attentat möglicherweise angeordnet hat, war vor allem in Großbritannien und den USA scharf kritisiert worden.
Die Anklage wirft einem Iraner und vier Libanesen in dem Prozeß vor, am 17. September 1992 das Attentat im Restaurant „Mykonos“ verübt beziehungsweise unterstützt zu haben. Dabei waren der Chef der verbotenen Demokratischen Kurdischen Partei in Iran (PDKI), Sadegh Charafkandi, und drei weitere iranische Oppositionsführer erschossen worden.
Seit der islamischen Revolution im Iran 1979 sind in Westeuropa bereits über hundert iranische Oppositionelle getötet worden. Der Mykonos-Prozeß ist aber eines der ersten Verfahren, in dem Teheran als direkter Auftraggeber beschuldigt wird.
Schmidbauer sagte vor dem Gericht, er könne nicht beurteilen, ob iranische Stellen das Attentat anordnet hätten. Seine Äußerung in einem Fernsehinterview: „Wer die Details kennt, kommt zu ganz anderen Ergebnissen“, beziehe sich lediglich auf den Vorwurf, er habe Hinweise des Bundesnachrichtendienstes nicht den Ermittlungsbehörden mitgeteilt. Bei den Gesprächen mit Fallahijan betonte die iranische Delegation laut Schmidbauer, daß die Angeklagten unschuldig seien.
Vor dem Berliner Landgericht demonstrierten am Vormittag etwa fünfzig Exiliraner gegen die Kooperation Deutschlands mit dem Iran. Auf Transparenten hieß es: „Keine Zusammenarbeit mit Mördern.“ Der Sprecher der Volksmudschaheddin, Jahvad Dabiran, sagte am Rande des Prozesses, die Aussage von Schmidbauer bestätige die persönliche Verstrickung von Minister Fallahijan in den Fall. dpa
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