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Teddybär mit HakenkreuzBremer Kinder in der Nazizeit

Die letzten Zeitzeugen

„Als kleiner Junge hatte ich die Jacke mit Judenstern von einem Nachbarmädchen an. Das werde ich nie vergessen“, erinnert sich Henning Scherf. Der Bürgermeister war sechs Jahre alt, als der Krieg zu Ende ging. Damit ist er einer der jüngsten Zeitzeugen, die die Schulgeschichtliche Sammlung Bremen für ihre Ausstellung und Dokumentation „Am Roland hing ein Hakenkreuz – Bremer Kinder und Jugendliche in der Nazizeit“ befragt hat.

Gut 250 Menschen, alle während der Nazi-Zeit in Bremen aufgewachsen, haben den Austellungs-MacherInnen ihre Kindheits-Erlebnisse erzählt: Hitlerjungen und BDM-Mädels genauso wie Kinder aus jüdischen oder politisch verfolgten Familien. Die Spielzeuge, die Fotos und was sie sonst noch an Gegenständen zusammen getragen haben, erzählen Geschichten aus der Kinderzeit im Nazi-Deutschland. Nicht nur die von der Klassenarbeit, die im Luftschutzbunker geschrieben wurde, von Hakenkreuz-Flaggen und Pimpfen-Uniform. Sondern auch die von der „Teddy-Welt“: In „Groß-Birkenreich“ lebten die Teddybären unter der Regentschaft von „Äffchen“. Die Politik des „Reiches“ war sehr expansiv; 1940 erklärte es dem östlichen Nachbarn „Erlenreich“ den Krieg. Das selbsterfundene Spiel dokumentierten die Kinder in Landkarten, Urkunden und anderen „offiziellen“ Dokumenten.

„Diese Dinge möchte ich eigentlich gar nicht auf den Tisch legen.“ – Sätze wie diese bekam Ursula Carr, eine der Ausstellungs-Macherinnen, häufig zu hören. „Viele hatten nie zuvor über ihre Kindheit in der Nazi-Zeit gesprochen“, sagt sie. Die meisten der ZeitzeugInnen hatten sich auf eine Zeitungsanzeige hin gemeldet. Nur die Kinder aus jüdischen oder politisch verfolgten Familien mussten Carr und ihre Kolleginnen aufspüren – die meisten waren ausgewandert.

Verena von Ondarza

Die kindergerechte Ausstellung „Am Roland hing ein Hakenkreuz – Bremer Kinder und Jugendliche in der Nazizeit“ ist vom 11. September bis zum 3. Oktober in der Unteren Rathaushalle zu sehen. Im Hauschild-Verlag ist ein gleichnamiges Buch dazu erschienen (15 €). Zusammen mit dem Bremer MOKS-Theater entstand das Stück „Hans und Grete“ für Kinder ab elf Jahren. Uraufführung ist am 10. September in der Unteren Rathaushalle.

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