Technopartys als Subkultur: Augenblicke puren Genießens
Zwischen Dancefloor und dem Psychoanalytiker Jacques Lacan: Der Kulturwissenschaftler Jochen Bonz auf den Spuren der Subkultur.
Was passiert eigentlich in diesen Momenten? Man ist auf dem Dancefloor, der Loop scheint bereits endlos zu laufen. Der DJ regelt die Höhen runter, übrig bleiben der treibende Bass und seine Resonanz in der Magengrube. Aus dem Nichts erscheint ein Vokalsample, ringsherum reißen Menschen die Hände in die Luft, jubeln, umarmen sich. Man tanzt allein und ist doch viele zugleich.
Als Moment eines puren Genießens, der "Jouissance", bezeichnet Jochen Bonz diesen Augenblick. Der Bremer Kulturwissenschaftler organisierte während seines Studiums Technopartys, später schrieb er über die Musik: Es ist ein Mix aus Tracks, im ständigen Wandel begriffen und dennoch Medium einer umfassenden Subkultur, die er in "Subjekte des Tracks" beschreibt.
Das ist mutig, denn der Begriff der Subkultur hat in akademischen Kreisen viel von seinem Reiz verloren. Ende der 70er diente er zur Beschreibung von Stilen und Moden der Jugend im England seit der Nachkriegszeit. Diese zeichneten sich dadurch aus, dass sie Zeichen einer "dominanten Kultur" subversiv aneigneten und ihnen eine neue Bedeutung gaben. Die Mods nutzten die in den 60ern als Medizin gebräuchlichen Amphetamine für ihren hedonistischen Lebensstil, während die Punks Sicherheitsnadeln als Mode-Accessoire zweckentfremdeten.
Das Schicksal dieser Subkulturen galt als besiegelt, als ihre Zeichen als Waren in den Fußgängerzonen auftauchten. In der Regel wird diese Geschichte so weitererzählt: Im großen Ecstasy-Rausch des Acid-Sommers 1988 entstand eine Jugendkultur, die sich, gewissermaßen als Komplize des Thatcherismus, dem Konsum und der Auflösung von Identität und Bedeutungen verschrieben hat und so die Idee von Jugendkultur als unfreiwilligem Widerstand an ein Ende brachte. Rave war geboren.
Bonz bricht mit dieser Geschichtsschreibung. Nach Punk war zwar Schluss mit dem ohnehin eher unscharfen Dagegensein, aber Subkulturen mit festem Zeichensystem existieren weiterhin. Nur parodieren sie nicht mehr einen Mainstream, sondern schaffen sich einen eigenen Zeichenvorrat, den man Schritt für Schritt verinnerlichen kann und der sich in kleinen Twists immer und überall wandelt. Bonz entdeckt dies im House-Sound. Doch bei der Musik endet die Spurensuche nicht: Das Coverdesign, die Ordnung im Plattenladen und selbst die kleinen Notizen auf den Endlosrillen einer 12-Inch transportieren eine Bedeutung.
Trotz alledem, in seinem Kern ist "Subjekte des Tracks" ein langes Selbstgespräch. Der Tänzer Bonz erzählt von seinen Erlebnissen auf dem Dancefloor, berichtet darüber, wie er Tracks wiedererkennt, den Mix genießt und als Musikfan seine Lieblings-DJs und -musiker interviewt. Den Verlauf dieser Gespräche übersetzt der Wissenschaftler Bonz schließlich in die Begriffe von Jacques Lacans Interpretation der Psychoanalyse. So lässt er seine persönliche autobiografische Erzählung zum Samplematerial für den akademischen Diskurs werden.
Ein interessanter Versuch, der ihm zwar einen Doktortitel beschert, seinem Text aber eher geschadet hat. Im Unterschied zum Dancefloor, der Gegensätze aufheben und ohne Ausschluss kurze Momente kollektiven Genießens hervorbringen kann, wirkt "Subjekte des Tracks" durch akademische Phrasen und sich wiederholende Textpassagen langatmig und so hermetisch, dass man dort kaum "Jouissance" entdecken kann.
Dies mag mehrere Gründe haben. Als englische Kulturwissenschaftler wie Dick Hebdige in der Subkultur eine Idee von Widerstand entdeckten, taten sie das einerseits zwar in Abgrenzung zu einer staatsfixierten Form marxistischer Analyse, andererseits fanden sie aber Verbündete in einer Reihe von Musikjournalisten, die an einer Politisierung von Pop gegen die neoliberale Wende der Thatcher-Regierung Interesse hatten. Selbstredend hielt diese Allianz nicht ewig. Hierzulande denkt Popjournalismus unter erhöhtem Renditedruck selten über die gesellschaftliche Dimension seines Gegenstands nach, und bei der Übertragung des englischen Ansatzes auf die deutsche Universität ist die politische Fragestellung durch eine Vielfalt an Methoden ersetzt worden.
Jochen Bonz fixiert sich in seinem Text allzu sehr auf den Begriffsapparat der Lacanschen Psychoanalyse. Diese besitzt zwar in Slavoj Zizek auch einen über den Elfenbeinturm hinaus bekannten Vertreter, der Pop und Psychoanalyse zusammenführt, aber "Subjekte des Tracks" wirft letztendlich dadurch doch mehr Fragen auf, als es erläutert. Okay, es gab also diese Trackkultur, aber wie sie entstanden und wohin sie entschwunden ist, behält Bonz für sich. Und wie kommt es eigentlich, dass ein Lebensentwurf der selbstbestimmten Kreativität anstatt als Verheißung mittlerweile doch vielfach eher als Zwang wahrgenommen wird? Vielleicht, weil einem die Zeit in der Subkultur mittlerweile eher als Training für eine deregulierte Arbeitswelt erscheint denn als Möglichkeit auf ein selbstbestimmtes Leben?
Möglicherweise darf man Antworten darauf nicht von einem Buch erwarten, das durch seine Existenz am ehesten dokumentiert, wie um die Jahrtausendwende die Grenzen zwischen Akademie und Pop durchlässiger wurden. Dass sich das damit verbundene Versprechen heute ein wenig schal anfühlt, ist schließlich nicht allein seine Schuld.
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