Tapfer gegen Heulsusen und Feiglinge

■ Bundeswehrinspekteur Wellershoff führt auf der Kommandeurstagung einen Zangenangriff gegen „weinerliche Stimmen“ und gegen das „Ausleben der Angst“ als „nationale Tugend“

Bonn (dpa) — Das Bild der Bundeswehr darf nach den Worten von Generalinspekteur Dieter Wellershoff von „weinerlichen oder materialistischen Stimmen“ einiger weniger Soldaten nicht beschädigt werden. Bei der Eröffnung der 32. Kommandeurstagung der Bundeswehr sagte Wellershoff am Montag in Bonn, nicht nur ausländische Beobachter hätten im Zusammenhang mit dem Golfkrieg den Eindruck gewinnen müssen, daß das „Ausleben der Angst und nicht ihre Überwindung zur nationalen Tugend der Deutschen geworden sei“.

Vor den rund 480 Generälen, Admiralen und Obersten in Kommandeurverwendung meinte Wellershoff, „zum Soldatsein“ gehöre nicht nur das treue Dienen, sondern im Ernstfall auch das tapfere Verteidigen. Es sei wohl nicht verwunderlich, daß junge Soldaten den Antrag auf Kriegsdienstverweigerung stellen, wenn große Teile der Politik und des Volkes sich dem Gedanken an den Einsatz der militärischen Macht zur Sicherung oder Wiederherstellung des Rechtes, das die Voraussetzung für unser aller Freiheit ist, verweigerten.

Die Bundeswehr steht nach Angaben von Wellershoff vor der größten Reform seit ihrer Gründung, die fast einem Neubeginn gleichkomme. Zu den großen Leistungen gehöre der Aufbau der Bundeswehr im beigetretenen Teil Deutschlands. Das schwierige Erbe der Nationalen Volksarmee (NVA) mit seiner sozialen, organisatorischen, materiellen und ideologischen Dimension sei zwar noch nicht ganz verarbeitet, aber die Bundeswehr habe vielleicht von allen staatlichen Bereichen inzwischen den besten Fortschritt erreicht.

Die Elemente einer künftigen Militärstrategie werden sich nach Meinung von Wellershoff auch in den Streitkräftestrukturen wiederspiegeln müssen. Für die künftige Bundeswehr seien eine präsente territoriale, logistische und Ausbildungsgrundorganisation unter nationalem Kommando, mobilmachungsabhängige Aufwuchskräfte und präsente sowie schnell verfügbare Eingreifkräfte nötig: „Wir brauchen Soldaten, die wissen wofür sie stehen, gut ausgebildet und ausgerüstet sind und deren Auftrag von Politik und Bürgern getragen wird.“

Die weitaus größte Unsicherheit in der Prognose für die Stabilität in Europa gehe von der Sowjetunion aus, meinte Wellershoff. Während die sowjetische Außenpolitik überwiegend ihre auf Kooperation mit dem Westen und Integration in die Staatengemeinschaft ausgerichtete Linie fortsetze, scheine sich innenpolitisch eine Kurskorrektur zu vollziehen, deren Auswirkungen noch nicht umfassend beurteilt werden könnten. „Wir erkennen die Möglichkeit, daß die Sowjetunion bis 1995 eine strategisch defensive Grundkonzeption annehmen wird.“