Tanzverbot gelockert: Der einsame Kampf der CDU
Pferde dürfen rennen, Wetter zocken, Kirchenglocken läuten. Auch Discobesucher dürfen an den „stillen Feiertagen“ demnächst ein wenig länger ausgehen.
Karfreitag, Totensonntag und am Volkstrauertag darf künftig ab 21 Uhr an öffentlichen Orten getanzt werden. Das beschloss, gegen die CDU, gestern die Bürgerschaft in erster Lesung.
Bisher dürfen Discotheken an diesen „stillen Feiertagen“ gar nicht öffnen. Linda Neddermann, jugendpolitische Sprecherin der Grünen, begründet die gemeinsame Initiative der Regierungs-Fraktionen mit „geänderten gesellschaftlichen Realitäten“. Nur noch 52 Prozent der BremerInnen gehören den großen christlichen Kirchen an.
Künftig endet auch die Partynacht vor den Feiertagen erst um sechs statt wie bisher um vier Uhr morgens. Neddermann betont: „Es ändert sich nicht viel, aber Wesentliches.“
Auch nach der Neufassung, die noch in zweiter Lesung bestätigt werden muss und für zunächst fünf Jahre gelten soll, hat Bremen mit 69 Stunden die längsten „Stillzeiten“ von allen Stadtstaaten. In Hamburg sind es 44, in Berlin 41 Stunden. In der Hauptstadt gilt die verordnetet Feiertagsruhe ebenfalls nur bis 21 Uhr – was dort, so Neddermann, von niemand mehr „ernsthaft in Frage gestellt“ werde. Ihr Fraktions-Chef Matthias Güldner, dem Neddermann in der Debatte dann die Bühne überließ, prognostiziert für Bremen: „Das ist ein Kompromiss, der auch von den Kirchen mitgetragen werden wird.“
Gilt das nur um Futur II – oder bereits im Präsenz? Der theologische Leiter der Bremer Evangelischen Kirche, Renke Brahms, sieht in der Tat einen Konsens. Bloß liegt der für ihn in der bislang gültigen Regelung. Eine Änderung sei „unnötig“. Wenn man 8.710 Stunden im Jahr tanzen könne, sagt Brahms, sei nicht verständlich, warum eine Ausnahme von 50 Stunden problematisch sein solle.
Vielleicht, weil das Osterwochenende eine tolle Partygelegenheit darstellt – und weil Bevormundung Unmut hervorruft? „Eine gemeinsame Ruhepause tut allen gut“, erwidert Brahms. Wobei man im privaten Rahmen auch jetzt jederzeit tanzen dürfe. Allerdings, sagt Brahms der taz auf Nachfrage: Den „Kern der stillen Feiertage“ sähe er durch die Neuregelung „eigentlich nicht“ in Frage gestellt. Er wolle weder um Stunden feilschen noch aus dem Thema „einen Kulturkampf machen.“
Elisabeth Motschmann, laut Homepage ihrer Fraktion immerhin „gleichzeitig kirchen- und religionspolitische Sprecherin“ der CDU, sieht das mit dem „Kulturkampf“ offenbar anders. „Ihnen geht es nicht um diese Stunden, Ihnen passt die christliche Prägung unserer Gesellschaft nicht“, ruft sie im Parlament erbittert in Richtung der Regierungsparteien. Dabei hatte gerade SPD-Fraktionschef Björn Tschöpe eindringlich dafür geworben, die Lockerung des Tanzverbots um fünf Stunden „als Kompromiss“ wahrzunehmen – der einer breit gefächerten Interessenlage geschuldet sei. Tschöpe: „Bei der SPD und den Grünen gibt es dazu sehr unterschiedliche Positionen.“
In der Tat wollte selbst der grüne Fraktions-Chef die alten Regelungen beibehalten. Doch Motschmann ließ sich von so viel Differenziertheit nicht beeindrucken. „Es ist offenbar schon notwendig zu sagen: Auch das Christentum gehört zu Deutschland, gehört zu Bremen“, schloss sie apodiktisch ihre Rede.
Anlass der Debatte ist eine von fast 800 BremerInnen unterzeichnete Petition zur kompletten Aufgabe des öffentlichen Tanzverbots – die bei Motschmann als Vorsitzender des Petitions-Ausschusses landete und von dieser als „respektloses Ansinnen“ qualifiziert wurde. Vergeblich appellierte Motschmann an die „Solidarität mit den Christen in dieser Stadt“ und den Bürgermeister. „Ich wundere mich, dass Jens Böhrnsen als Kirchensenator das mitmacht.“
Die komplette Aufhebung wünscht sich auch die Linkspartei, die mangels Mehrheit dem rotgrünen Antrag zustimmte.
Ungelöst bleibt die Frage des Karfreitags-Pferderennens in der Vahr. Das verstößt seit Jahren gegen gleich zwei weiterhin gültige Regelungen des Feiertagsgesetzes: Das Verbot von gewerblichen Großveranstaltungen an stillen Feiertagen sowie das Wettverbot. Lediglich die Hürde „Großveranstaltung“ könnte das Galopprennen demnächst unterlaufen: Seit Jahren leidet es an eklatantem Zuschauerschwund.
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