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Tanztage OldenburgKein Vertrauen in die Sprache

Mit einer furiosen Auftaktproduktion haben in Oldenburg die 10. Internationalen Tanztage begonnen. Auch wenn das Programm dann erstmal nachließ: Mit seinem auf Vielfalt zielenden Ansatz liegt Festivalleiter Honne Dohrmann richtig.

Sprachen bringen Streit: Sidi Larbi Cherkaouis Produktion "Babel (Words)" eröffnete die diesjährigen Tanztage. Bild: Koen Broos

OLDENBURG taz | Perfekter hätte der Auftakt kaum glücken können: Nicht enden wollte der Beifall bei der Eröffnung der 10. Internationalen Tanztage in Oldenburg. Mit ihrer Choreografie "Babel (Words)" begeisterten Sidi Larbi Cherkaoui, Damien Jalet und ihre Compagnie in Halle 10 des Fliegerhorsts - eine Ausweichspielstätte, während das Große Haus des Staatstheaters renoviert wird - das Publikum.

Zu Anfang erklärt darin eine Tänzerin (Ulrika Kinn Svensson), die Menschen hätten sich - ehe sie die Sprache erfanden - mit Gesten verständigt. Was dann prompt vorgeführt wird: Wenn sie ihre Arme nach vorn strecke und die Handflächen nach oben drehe, erläutert sie, dann bitte sie um Verzeihung.

Das ist eine sinntragende Exposition - ein Hauptanliegen der Compagnie ist die Auseinandersetzung mit der Sprache. Gegen Ende ergänzt eine Schlüsselszene den Anfang. Darryl E. Woods, ein Tänzer, der Barack Obama verblüffend ähnelt, rühmt die englische Sprache und verweist stolz auf ihre enorme Verbreitung. Das kommt gar nicht gut an bei einem als Franzose erkennbaren Kollegen: Das Französische sei schließlich die Sprache der Liebe. Das wiederum kann nicht unwidersprochen bleiben, meinen Japaner, die Japanisch viel schöner, und Araber, die Arabisch viel ausdrucksstärker finden: Der Streit ist abzusehen - und Sidi Larbi Cherkaoui choreografiert zusammen mit Damien Jalet in Zeitlupe ein rechtes Massaker.

Sprachen bringen Streit, ist die Compagnie überzeugt. Vielleicht kein Wunder, kommt sie doch vom Théâtre de la Monnaie aus Brüssel, und so kann der Tanzabend verstanden werden als boshafte Abrechnung mit dem nicht enden wollenden Konflikt zwischen Wallonen und Flamen.

Wie gesagt: ein Bilderbuchstart. Festivalleiter Honne Dohrmann, 50, selbst Direktor der Oldenburger Compagnie, durfte zufrieden sein am Dienstagabend - auch wenn auf die anfänglichen Höhen der Abstieg folgte. Geradezu ein tiefes Tal der Langeweile hatte zu durchschreiten, wer sich am Tag darauf "Now Is" und "Timeless" anschaute, zwei Choreografien von Aditi Mangaldas.

Ihre Compagnie, ansässig im indischen Neu Delhi, meditiert tänzerisch über das Thema Zeit und lehnt sich dabei an Kathak an, einen klassischen Tanz, der wegen der auffallend gehäuften Pirouetten an den Sufismus erinnert mit seinen sich um sich selbst drehenden Derwischen.

Nicht abendfüllend - auch wenn es unterhaltsam war, der Prinzipalin Aditi Mangaldas zuzuschauen: Die hatte nicht nur choreografiert, sondern tanzte auch selbst mit - und behielt sich die Filetstücke vor. Esoterischer Tanz, der zum Meditieren einlädt, bewahrt offenbar nicht davor, sich in den Fallstricken ganz und gar weltlicher Eitelkeit zu verfangen.

Dennoch: Als tragfähig hat sich Dohrmanns Ansatz bislang erwiesen: Der Festivalchef setzt auf Vielfalt. Insgesamt 20 Formationen aus Europa, Indien, Südkorea, Brasilien und Kuba präsentieren in drei Spielstätten und weiteren externen Auftrittsorten ihre Produktionen.

Den Haushalt beziffert er auf 360.000 Euro, viel ist das nicht. Die Kollegen begnügten sich mit dem Notwendigsten, sagt Dohrmann mit Blick auf die gastierenden Künstler. Selbstausbeutung scheint also eine Bedingung zu sein für die Fülle des Programms. Eine andere ist die Großzügigkeit der Sponsoren: Mehr als drei Viertel des Festivalbudgets stammen "von außen", das heißt: unter anderem von Firmen. So bedankte sich denn Markus Müller, Oldenburgs so junger wie geschmeidiger Generalintendant, auch bei den edlen Spendern, als er die Tanztage eröffnete.

Dohrmann beteuert, niemand habe ihm ins Konzept der Tanztage hineingeredet. Aber der Vormarsch der Privaten in den Bereich der Kunst lässt sich im Programmheft bestaunen: Noch ehe Dohrmann sein Publikum begrüßt, werden die Sponsoren abgedruckt - auf einer ganzen Seite.

Aber warum eigentlich sollen tolle Künstler ihren guten Ruf riskieren, um das lädierte Image von Unternehmen wie dem Versorger EWE aufzupolieren, dessen, nun, originelle Preisgestaltung seine Kunden vielhundertfach zum Kadi getrieben hat? Und wer garantiert die Freiheit der Kunst? Unternehmen, die morgen ihre Unterstützung zurückziehen, weil die Konjunktur lahmt oder ihnen irgendeine Richtung nicht passt?

Drei Viertel des Budgets aus Sponsorentöpfen, das alarmiert. "Die 10. Internationalen Tanztage gehören Ihnen!", wirbt Festivalleiter Dohrmann am Ende seines Grußwortes. Wirklich?

Das Festival dauert bis zum 16. April. Das ganze Programm:

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