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Tanklaster-Angriff der BundeswehrKundus wird in Berlin verteidigt

War Oberst Klein nur Handlanger der ominösen KSK-Task-Force 47? Eine der Fragen, die vor allem die Opposition interessieren.

Nach dem Angriff der Bundeswehr: Tanklaster in Afghanistan. Bild: dpa

"4. September 2009 - die Bundeswehr schlägt zurück". So ist im Buch "Unter Beschuss" des Bundeswehroffiziers Marc Lindemann das Kapitel zum Luftangriff von Kundus überschrieben. Der Titel spricht Bände.

Abgeordnete, Journalisten - eigentlich alle, die derzeit von Truppenbesuchen in Afghanistan zurückkommen, berichten, dass die deutschen Soldaten im Lager von Kundus sich nicht mehr nur von Taliban attackiert sehen. Sie meinen auch, nun im Feuer der deutschen Öffentlichkeit zu stehen. Dabei habe Oberst Georg Klein, als er das Bombardement der beiden Tanklaster am Kundus-Fluss befahl, doch nur seine Pflicht getan.

Der Grüne Omid Nouripour kehrte Mitte Januar, von den Reisestrapazen gezeichnet, aus Afghanistan zurück und rief aus: "Mein Gott, die Stimmung dort ist katastrophal." Die Soldaten im Einsatz stehen hinter Klein - und hinter dem Luftangriff. Das war korrekt, finden sie. "Die Soldaten sagen: Der wollte unser Leben schützen, der hat seinen Job gemacht. Jetzt dürfen wir uns nicht einmal mehr verteidigen", schildert der Sprecher des Bundeswehrverbands Wilfried Stolze. "Die Soldaten haben die Faust in der Tasche geballt."

Am Mittwoch steht Oberst Klein vor dem Bundestagsuntersuchungsausschuss in Berlin. Er muss eigentlich nichts sagen. Wem ein Ermittlungsverfahren droht, der muss sich nicht selbst belasten. Dass Klein kommt, werten die Oppositionspolitiker im Ausschuss jedoch als Zeichen, dass er auch reden wird.

Doch ob er - oder die beiden anderen geladenen Soldaten, die in der Nacht im Befehlsstand waren - wirklich verraten werde, warum Klein eine "Feindberührung" herbeilog, so dass die US-Piloten die Bomben abwarfen? Ob sie Zweifel hatten, ob da wirklich nur Taliban - oder nicht auch Zivilisten am Flussbett waren?

Die Linksfraktionsabgeordneten Jan van Aken und Christine Buchholz suchten vergangene Woche die Opferfamilien bei Kundus auf. Van Aken berichtet, dass der deutsche Kommandeur Kai Rohrschneider dort gerade Waren im Wert von 150.000 Euro als "Soforthilfe", eine Art Vorab- Entschädigung, an 1.200 Personen austeilen ließ. Diese seien einer Liste von über 100 toten und 7 verletzten Zivilisten zuzuordnen. Die Bundeswehr erkenne also an, "dass es über hundert zivile Opfer gab", sagt van Aken. Bislang war meist von maximal 142 Toten die Rede, darunter 30 bis 40 Zivilisten.

Den Abgeordneten im Ausschuss ist bewusst, dass Oberst Klein zwar der Mann ist, der den blutigsten deutschen Angriff seit dem zweiten Weltkrieg befahl. Aber er ist nicht der Mann, an dem sie sich abarbeiten dürfen - schon aus Rücksicht auf die Stimmung in der Bundeswehr. Regelverletzungen Kleins wären ohnehin Gegenstand eines möglichen disziplinarrechtlichen Verfahrens der Bundeswehr - nicht eines Ausschusses.

Offen ist jedoch, ob es der Opposition im Ausschuss gelingen wird, die militärstrategischen und politischen Hintergründe aufzuarbeiten. Nach allen bislang bekannten Informationen hat Oberst Klein keine Rücksprache mit Vorgesetzten gehalten. Es gab offenbar einen digitalen Austausch mit dem deutschen Hauptquartier in Masar-i-Scharif, nicht jedoch mit dem dortigen General Jörg Vollmer. Dass es Kontakt mit dem Einsatzführungskommando in Potsdam oder gar mit dem Ministerium in Berlin gab, hat die Bundesregierung offiziell verneint.

Für möglich gehalten wird, dass Klein nur eine Art Handlanger der ominösen Task Force 47 war, die maßgeblich vom Kommando Spezialkräfte KSK bestritten wurde und auf der Jagd nach Talibanführern war.

Bereits im Dezember kursierten Informationen, wonach es 2009 eine Runde vom inzwischen geschassten Verteidigungsstaatssekretär Peter Wichert mit Militärs, Kanzleramt und Bundesnachrichtendienst gab, die die gezielte Tötung von Taliban beschloss. Nouripour will darum auch den Ex-BND-Chef August Hanning vor den Ausschuss laden, der bis November 2009 Innenstaatssekretär war. Über Hanning schrieb der Spiegel, er habe den "härteren Kurs, weg vom Brückenbauen, hin zur Taliban-Jagd" verlangt.

Der Luftangriff - das Ergebnis eines Strategiewechsels, von dem so niemand erfahren sollte? Nach Hinweisen darauf gräbt auch der Grüne Christian Ströbele - unabhängig vom Ausschuss. Wann wurden Gegner beschossen, die selbst gerade nicht kämpften, fragte Ströbele mehrfach im Bundestag. Gestern beschied ihm Verteidigungsstaatssekretär Christian Schmidt (CSU): Es "lässt sich keine belastbare Aussage hierzu treffen".

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6 Kommentare

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  • D
    DenkSchlächter

    10.02.2010 20:16 Uhr:

    von anna gärnter:

    An die Redaktion: Si erlauben diese Unsägliche Aussage und bringen meine "Gegendarstellung" dagegen nicht. Erstaulich, diese Leistung, Gratulation!

  • DA
    der Angemessenheit

    Über die Angemessenheit von Kollateralschäden bei Militäreinsätzen kann man ja mal nachdenken. Gerade in Anbetracht der aktuellen Vorkommnisse in Afghanistan. Wenn es also völkerrechtlich so etwas gibt, wie eine angemessene Zahl ziviler Opfer bei einem Militäreinsatz und zivile Opfer unschuldige Menschen sind oder sein können, die nicht in den Konflikt involviert sind. Dann dürfte die Nationalität der zivilen Opfer keine Rolle spielen bei der Beurteilung der Angemessenheit.

    Wenn also ein deutscher General in Afghanistan entscheidet, dass für einen bestimmten militärischen Erfolg, 60 zivile Opfer angemessen sind, könnte man dann nicht konsequenterweise die zivilen Opfer zwischen den Afghanen und Deutschen aufteilen.

     

    Ich stelle mir das so vor. Wenn ein Einsatz, wie der aktuelle 30 zivile Opfer in Afghanistan verursacht, muss der General entscheiden, dass 60 zivile Opfer angemessen sind. Das muss ja mit den entsprechenden Kriterien wie bisher auch machbar sein, nur liegt jetzt die Schwelle doppelt so hoch.

     

    Ist der militärische Nutzen für Deutschland so hoch, dass 60 zivile Opfer gerechtfertigt sind, darf der Einsatz ausgeführt werden. Exakt die Anzahl an unschuldigen Opfern, die der Einsatz in Afghanistan fordert, in unseren Fall also 30 Personen, muss der Kommandant dann auch an unschuldigen Bürgern in Deutschland erschießen lassen.

     

    Die Erschießungen der deutschen zivilen Opfern könnte am letzten Freitag im Monat auf der Wiese vor dem Reichstag feierlich stattfinden. Ich persönlich würde bei den Erschießungen auch zuerst Militärs und Bundestagsabgeordnete heranziehen, aber aus ethischen Gründen wir wohl der Zufall die Personen aus der Menge aller Bundesbürger ziehen müssen.

     

    Bei länger geplanten Aktionen, wie ganze Operationen oder Kriege, wäre es auch möglich die erwartete Anzahl an zivilen Opfern voraus zu berechnen und vorab in der Bundesrepublik nach Freiwilligen zu suchen.

    Die Politik müsste also, wenn sie einen NATO-Einsatz mit einer zu erwartenden Anzahl von 300 zivilen Opfern im Kampfgebiet durchführen will, in der BRD vorab 300 Freiwillige finden, die den Auftrag mit ihrem Tod unterstützen. Am letzten Freitag im Monat müssten dann nur, die über die vorab berechnete Anzahl hinausgehende Menge zufällig ausgewählter Bürger erschossen werden.

    Kann die benötigte Anzahl Freiwilliger nicht rekrutiert werden, darf der NATO-Einsatz nicht ausgeführt werden.

     

    Dieses Vorgehen hätte auch noch einen weiteren Vorteil. In Gesellschaften, in denen ein „Auge um Auge“ Prinzip die Reaktion auf zivile Opfer konstituiert, würde die Motivation für Racheaktionen, durch die freiwillige Erschießung deutscher Bürger, gegen Null sinken. Daraus folgt, dass der Hauptgrund für Terrorismus verschwindet und dadurch die Rechtfertigung für die Kriegseinsätze.

     

    Man könnte also die Erschießung zufällig ausgewählter Bundesbürger, in der gleichen Menge der zivilen Opfer bei militärischen Auslandseinsätzen, als friedensschaffende Maßnahme bewerten. Außerdem würde so jeder Bundesbürger mit den Konsequenzen kriegerischen Handelns der Regierung konfrontiert, indem die Dissoziation zwischen Kriegsfolgen und dem eigenen Leben aufgehoben wird. Wenn Deutschland im Krieg ist, kann es dann wieder jeden Bundesbürger treffen.

  • AG
    anna gärnter

    MITLEID mit den deutschen Soldaten????? Ist das ein Scherz??? Diese Leute haben eine Wahl! Sie können einfach hierbleiben. Welche Wahl ist den Afghanen gegeben worden?

    Kommentare wie der obige zeigen wie moralisch bankrott dieses Land ist. Da wird jemandem schlecht, weil deutsche Soldaten offiziell nicht ungestraft die ärmste Bevölkerung dieses Planetens erschiessen dürfen. Inoffiziell tun sie es ja schon.

    Aber zum Glück kann Afghanistan aufatmen. Wir wissen ja wie das immer endet, wenn Deutschland versucht fremde Länder zu besetzen....

    Ja, mir ist WIRKLICH schlecht.

  • E
    end.the.occupation

    Mit Bildern lügen - Trotz der Bildern lügen

    "Kein Tanklaster-Angriff bei Omarkhil"

     

    1) Bei der Bildwahl hat die Redaktion zielsicher zu dem Bild gegriffen auf dem der Traktor nicht zu sehen ist, den die angeblichen Taliban aus dem benachbarten Dorf herbei holen liessen, um die Tankwagen aus dem Flussbett heraus zu ziehen.

    Würde das Bild den Traktor zeigen - solche Bilder existieren -, so läge auf der Hand, dass sich Zivilisten - viele Zivilisten - aus dem Dorf am Ort des Geschehens befanden.

     

    2) Das Bild dementiert ausserdem die permanent vorgetragene Lüge, dass Tanklastwagen bombardiert worden seien. Wären die Tanklastwagen Ziele der Bomben gewesen, so würde man maximal noch Teile der Achsen der Fahrzeuge auffinden können.

    Bombardiert wurden nicht die Tankwagen, bombardiert wurde vielmehr die Menschenmenge in der Nähe der Tankwagen. Eine Menge von der man - auch infolge des Traktors - wissen konnte, dass sich sehr viele Zivilisten aus dem Nachbardorf darunter befinden würden.

    Nicht einmal die garantiert nicht zart besaiteten Israelis hätten sich geleistet, was die All-Parteien-Koalition absehbar unter den Teppich kehren wird. Vermutlich ist das auch eine Erklärung für die Begeisterung, mit der dieselbe All-Parteien-Koalition andere, kleinere isr. Kriegsverbrechen deckt.

     

    PS.: So es investigative Journalisten gibt, so mögen die doch bitte mal erforschen ob es wirklich üblich ist, dass Versorgungs-Tanklaster für die Bundeswehr ohne irgend einen Schutz über die Pisten Afghanistans rollen.

  • E
    Eisvogel

    Gefährlich ist, dass teilweise auf beiden Seiten nicht mehr sauber getrennt wird.

     

    Die einen akzeptieren nicht den Tod von Afghanen obwohl man nun mal Militär nach Afghanistan geschickt hat, die anderen wollen nicht sehen dass es eine Grenze gibt die man nicht einfach mit "Pech für die Zivilisten" abhaken kann.

     

    Nicht jeder Waffeneinsatz ist ein Kriegsverbrechen, und Kritik/Fragen sind kein Hochverrat.

     

    Leider ist Deutschland selten zu ehrlichen Debatten fähig. So tun die einen so als wenn es unbedenklich ist, gegen NATO-Richtlinien dreistellig Leute zu töten, und die anderen kommen mit sachlich oft wenig gehaltvollen Argumenten.

     

    Soldaten, Politik, Bürger - alle lügen sich in die Tasche, weil keiner begreifen will dass man im Krieg nicht schuldlos bleiben kann. Diese Gesellschaft kann solche Einsätze offenbar nicht ab, sonst würde man das auf einer anderen Ebene diskutieren als "ich hab aber 100% Recht und die anderen sollen die Fresse halten". Den Schuh kann sich übrigens JEDE der Seiten anziehen.

  • D
    DenkSchlächter

    Vielleicht hat man die Phantasie sich vorzustellen wie das ist, wenn Sie bei jedem Menschen darauf gefaßt sein müssen, in die Luft gesprengt oder auf andere Weise angegriffen zu werden.

    Unsere Gedankenkünstler brächten es wohl fertig, den Soldaten/innen jedem Einsatz noch einen Abgeordneten, einen Staatsanwalt, einen Richter und einen Rechtsanwalt zu zuordnen.

    Ströbele hätte als gewissenhafter Jurist und bekannt dynamischer Abgeordneter mit dazu beitragen können, daß praxisnahe Einsatzgrundlagen für die BW von vorn herein geschaffen worden wären. Wo war er da?

    Das sind genau die elenden Leute, die ich in meinem Beitrag kritisiere. Politisch nicht viel drauf, militärisch gleich null, bei praktikablen, juristisch einwandfreien Regelungen nicht hinreichend engagiert aber wenn das Kind in den Brunnengefallen ist groß herumblöken: Haltet den Dieb!“ Toll! Ist mir schlecht!