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Archiv-Artikel

TÜRKEI: ÖCALAN QUITTIERT DIE HARTE LINIE GEGEN SEINE PKK-KADER Am besten aufs Altenteil am Fjord

Gestern hat Abdullah Öcalan, der auf einer Insel im Marmarameer inhaftierte Chef der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), den von ihm erklärten Waffenstillstand mit dem türkischen Staat für beendet erklärt. Beginnt nun nach vier Jahren ein neuer Bürgerkrieg in der Türkei? Das müssen die heute überwiegend im Nordirak lebenden ehemaligen PKK-Kämpfer selbst entscheiden, teilte „Apo“, so Öcalans Kurzname, mit. Er könne seinen Anhängern jetzt nur noch freistellen, zu tun, was sie für richtig halten.

Nach langem Zögern reagiert Öcalan mit seiner Stellungnahme nun darauf, dass seine früheren Gefolgsleute mit dem Rücken zur Wand stehen. Zunächst hat die alte, dann auch die im letzten Jahr neu ins Amt gekommene türkische Regierung hartnäckig alle Angebote der ehemaligen PKK ignoriert, den Konflikt im Dialog beizulegen. Vor allem Öcalan hatte lange gehofft, ähnlich wie etwa Arafat vom angeblichen Terroristen zum Politiker mutieren zu können. Doch keine türkische Regierung will nach 15 Jahren erbittertem Guerillakrieg, der in einer militärischen Niederlage der PKK endete, die angeblichen Terroristen durch Gespräche zu Verhandlungspartnern aufwerten. Dann hat der Krieg im Irak die PKK bzw. ihre Nachfolgerin Kadek zusätzlich in eine sehr unkomfortable Lage gebracht. Weder die irakischen Kurden noch die US-Truppen können auf Dauer eine unabhängige bewaffnete Truppe auf ihrem Territorium dulden.

Um die PKK zu spalten, hat die türkische Regierung in Absprache mit den USA dann eine Amnestie verabschiedet, die zwar das Fußvolk berücksichtigt, die Kader der PKK aber ausdrücklich ausnimmt. Will die PKK nun nicht einfach abwarten, bis ihr die Leute davonlaufen, bleibt ihr nur die Flucht nach vorn. Zwar kann die Partei längst nicht mehr ernsthaft die türkische Armee herausfordern. Doch für verzweifelte Attentate, die wiederum neue Repressionen im kurdischen Südosten der Türkei nach sich ziehen würden, reicht es allemal. Es gab kürzlich das Gerücht, die USA hätten in Norwegen angefragt, ob die Skandinavier bereit wären, der PKK-Führungscrew Asyl zu gewähren. Das wäre eine echte Alternative zu einem neuen, blutigen Kleinkrieg. JÜRGEN GOTTSCHLICH