TU Dresden will jetzt europäisch werden

■ Provinzialität des Studiums soll aufhören / Besinnung auf traditionelle Stärken

Dresden (adn/taz) - Der wissenschaftliche Rat der Technischen Universität Dresden will mit der bisherigen Provinzialität des Studiums an der größten polytechnischen Bildungseinrichtung der DDR brechen. Erklärtes Ziel sind Rang und Profil einer „europäischen Universität“. Adn -Redakteur Ingolf Seifert sprach mit Prof. Dr. Günter Lehmann, Prorektor für Bildung, über entsprechende konzeptionelle Überlegungen.

Ingolf Seifert: „Europäische Universität“ - was bedeutet das für Sie?

Dr. Günter Lehmann: Das heißt, daß wir unser Profil mehr am Bedarf des gesamten europäischen Raumes ausrichten wollen. Das, was an der TU Dresden gelehrt wird, und die Art, wie dies geschieht, muß auch für Studenten aus Nord- oder Westeuropa attraktiv sein.Wir wollen uns besser vermarkten, denken aber in erster Linie an einen breiten Studentenaustausch. So soll sich ein Maschinenbaustudent der TU Dresden dort zum Spezialisten profilieren können, wo er beste Bedingungen dafür vorfindet. Das könnten westeuropäische Maschinenbaufirmen oder unsere Partneruniversitäten in Aachen, Westberlin und Grenoble sein, Teilstudien von einem Semester bis zu zwei Jahren absorbiert. Im Gegenzug wollen wir unsererseits erstklassige Vertiefungskurse und Forschungsaufgaben anbieten. Dieses Prinzip des Gebens und Nehmens zwingt freilich auf bestimmten Strecken zur Umprofilierung. Unser Ausbildungsprogramm muß sich sinnvoll mit dem anderer technischer Universitäten verzahnen lassen. Derzeit bemühen wir uns darum, Möglichkeiten für Management-Praktika in der BRD und in Westeuropa zu erschließen. Die DDR -Volkswirtschaft schreit ja nach solchen Experten, und wir erhalten so den wissenschaftlichen Nachwuchs.

Ingolf Seifert: Die angestrebte Öffnung gilt also einmal jenen Disziplinen, die wie Management einfach zum Standard einer europäischen TU gehören, und in denen erheblicher Nachholebedarf da ist. Zum anderen will sich die TU wieder mehr auf traditionelle Stärken besinnen, dafür Aussichtsloses lassen. Der in der Welt herumkommende Student - ist er für Sie zuallererst der Schlüssel, um das dafür nötige europäische Wissen zu heben?

Günter Lehmann: Das ist mir zu pragmatisch. Wir versprechen uns mehr - eine neue Lehr- und Forschungsatmosphäre insgesamt. Womit wir brechen wollen - das ist die Ideologie der Seßhaftigkeit, die viel Schaden angerichtet hat und im System des bürokratischen Administrierens wurzelt. Denken Sie an verordnete Studienpläne, die fast jede Stunde reglementierten. Das alles ließ starke Motive für Eigeninitiative und Leistungswillen sehr häufig gar nicht erst aufkommen. Die Tatsache, daß von 11.000 Studenten pro Jahr nur vier oder fünf eine westliche Universität sahen, hat diesen Effekt verstärkt. Es geht jetzt um mehr Wettbewerb, Leistungsmotivation und Weltoffenheit.