TRIPLE-WAHNSINN IM URBAN SPREE, EIN RUHIGER POKALENDSPIELABEND IN KREUZBERG UND EIN HERUNTERGEDIMMTER RUMMEL IN DER HASENHEIDE : Beim alten Heuler gab’s nichts zu meckern
VON THOMAS MAUCH
Das dauerte mal wieder. Aber man war ja selber schuld, denn wer hatte einen schon geheißen, rechtzeitig zu dem Konzert zu kommen, also etwa eine halbe Stunde nach der mitgeteilten Uhrzeit. Da aber tat sich noch überhaupt nichts an dem Freitag im Urban Spree, und das blieb auch eine gute Stunde weiter so. Zeit genug, sich mal an dieser Amüsiermeile an der Revaler Straße umzuschauen, wie es Berlin eigentlich in der Woche nach dem Eurovision Song Contest in Kleiderfragen hält. Schließlich wurde doch in Kopenhagen in Sachen Style ein neuer und rundum bejubelter Standard gesetzt.
Berlin aber hält sich da noch recht bedeckt. Bärte gab es zu sehen. Mit Abendkleidern war es allerdings nichts. Nur casual wear im Publikum und auch auf der Bühne im Urban Spree, weil das Konzert dann eben doch noch angefangen hat, vom Veranstalter als „Triple-Wahnsinn“ angekündigt.
Ein Abend der Alleinunterhalter, auf der Suche nach dem Groove. Guido Möbius, der mit seiner Gitarre schon so ein John Fahey des 21. Jahrhunderts sein könnte, kauerte meist auf dem Boden und hämmerte mit den Fäusten auf seine Effektgeräte, spielte mit den Loops und den Schichtungen, bis das Prinzip One-Man-Band zum Ein-Mann-Orchester ausgebaut war. Bei Candie Hank (alias Patric Catani, Ricardo Prosetti oder sonst einen Namen) zappelte man auch ein wenig aus Notwehr mit, weil ohne das Zappeln sein Alleinunterhalter-Update für den Dancefloor halt auch etwas langweilig werden konnte. Er stellte im Urban Spree sein neues Album „Demons“ vor, und Chris Imler, Nummer drei des „Triple-Wahnsinns“, präsentierte sein Solodebüt-Album „Nervös“, behauptete zwischendurch auch, eigentlich David Bowie zu sein, trommelte seinen Electro-Rock-’n’-Roll, in etwa wie Suicide, die sich an NdW wagen, und zeigte sich an dem eigentlich recht durchschnittlichen Wahnsinnsabend mit einem Krawattenbandgekräusel am Hals wenigstens um etwas Stilbewusstsein in Modefragen bemüht.
Und dann doch: Als man gerade das Urban Spree hinter sich ließ, stapfte einem so ein Bartträger mit Abendkleid entgegen. In der Wahl des Kleides vielleicht etwas arg rustikal geraten. Aber immerhin.
Der Samstagabend gehörte dem Mannschaftssport. Nach dem Pokalendspiel war es rund um den Kreuzberger Intertank verdächtig ruhig. Keine in Schwarz-Gelb gewandeten Menschen mehr zu sehen.
And now for something completely different: die Neuköllner Maientage, letzter Tag des Rummels in der Hasenheide am Sonntag. Wobei auch dort die Stimmung am frühen Nachmittag heruntergedimmt war, abgesoffen in den großen Pfützen nach dem Regen.
Stoisch fuhren die Kinder trotzdem ihre Runden in den Fahrgeschäften, und auch der Moderator von „Neukölln sucht das Multi Kulti Super Talent“ ließ sich überhaupt nicht anmerken, dass da zum Finale nur ein paar versprengte Besucher herumtrollten, zumeist wohl mit einem familiären Bezug zu den Teilnehmern dieser „Mega-Casting-Show“. Immerhin vier Finalisten gab es. Musikalisch wurde mächtig in die Breite gespielt: ein junges Mädchen stemmte locker was von Amy Winehouse raus, ein Sascha kaprizierte sich auf Aufklärungsschlager, selbst geschrieben, ein bereits recht nachgereifter Helmut fingerte wie Joe Cocker zu „Hotel California“. Gewonnen hat dann Jorena, ein neunjähriges Mädchen im Glitzerhemd, mit dem alten Domenico-Modugno-Heuler „Volare“. Da gab es nichts zu meckern. Dann noch eine Tüte gebrannte Mandeln. Besser kann man so einen Sonntagnachmittag auch nicht verbringen.