piwik no script img

THOMAS de Maizière, Peter Altmaier und der Philologenverband Sachsen-AnhaltDie große Zombiefamilie

German Angst

von Sonja Vogel

Schaut man deutsche Nachrichten, dann weiß man gar nicht mehr, was total verrückt ist und was Politik. Vielleicht ist es mittlerweile ein Symptom, deutscher Politiker zu sein? Das Symptom eines kollektiven Wahnsinns? Die Einrichtung von rechtsfreien Grenzräumen? No Man’s Land? Schusswaffen gegen Flüchtlinge? Der Fraktionsvorsitzende einer Partei, die mittlerweile auf sieben Prozent kommt, sitzt mit einem Deutschlandfähnchen in der Hand bei Günther Jauch auf der Couch. Ein erwachsener Mann mit einem Fähnchen in der Hand. Vor Millionen Zuschauern. Dann der notorische Thomas de Maizière, der so geil darauf ist, Deutschland in eine Festung zu verwandeln, dass er es gar nicht abwarten kann, auf die Asylverschärfungen noch eins draufzusetzen. Stichwort „subsidiärer Schutz“ für syrische Flüchtlinge. Etwas zu früh.

Ein bisschen hat diese Entwicklung in Deutschland etwas vom Zombie-Horror: Es werden immer mehr und sie kommen von allen Seiten. Hält einer endlich den Mund, fängt der andere an zu hetzen.

Und da ist schon der nächste. Peter Altmaier twittert: „Das war heute ein guter Tag: Wer nicht verfolgt wird und aus einem sicheren Land kommt, wird künftig schneller unser Land verlassen müssen.“ Und der nächste: Der Philologenverband Sachsen-Anhalt warnt vor jungen muslimischen Männern, die „nicht immer mit den ehrlichsten Absichten“ kämen. Was sie eigentlich sagen wollen: Obacht, die Orientalen wollen die Töchter des weißen Mannes ficken! Oder mit den Worten des AfD-Zombies Uwe Wapp­ler: „Zum Beispiel ist ein zwölfjähriges Mädchen vergewaltigt worden hier im Bereich Unterweser.“ Das war zwar eine reine Fantasiegeschichte. Aber egal. Diese Fantasie schließlich teilen viele. Und die Zombiefamilie ist groß.

Um diesen Gap in der Realitätswahrnehmung zuzukleistern, verpacken die Philologen „sofortige Deportation“ in einen Schachtelsatz: „Die Rückführung vollziehbar ausreisepflichtiger Personen, deren Antrag rechtskräftig und vollziehbar abgelehnt ist, erfolgt unmittelbar aus der Aufnahmeeinrichtung.“ Klingt doch gleich mehr nach Notwendigkeit und weniger nach Deutschland den Deutschen.

Das ist so grausam, dass die CSU nicht an sich halten kann und auf allen Social-Media-Kanälen jubiliert. „CSU setzt durch: Schärfstes Asylrecht aller Zeiten in Deutschland. Rückführungszentren für schnellere Abschiebungen. Familiennachzug ausgesetzt.“ Eine Regression ins Kleinkindalter. In eine Zeit, in der man an der Scheiße, die man in die Welt gesetzt hat, noch große Freude hat. Die anale Phase. Wer diese Phase nicht überwindet, bleibt nach Freud ein „analer Charakter“ mit den Zügen eines Dreijährigen: intolerant, pedantisch, besitzstrebend. Zu Recht wurde hier oft eine Parallele zum autoritären Charakter ausgemacht, den Adorno in seinem Mix aus Gehorsam und Auflehnung beschrieb. Mit der Tendenz zur konformistischen Revolte, die zwar die Herrschenden meint, sich aber ganz nach unten richtet. Sounds like Pegida? Genau. Das ist der Ausdruck jener kollektiven Regression.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen