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Archiv-Artikel

TAZ-ADVENTSKALENDER: AVENUE CHARLES DE GAULLE 7 Nicht mehr zu retten

7. DEZEMBER Jedes Haus hat eine Nummer. Doch was dahintersteckt, wissen nur wenige. Zum Glück gibt es Adventskalender: Da darf man täglich eine nummerierte Tür öffnen – und sich überraschen lassen

Eigentlich gilt unsere Sieben nicht. Eine Hausnummer ist sie zwar, auch an einer Straße in Berlin, aber diese Straße ist, rein formal, Privatgelände. „Avenue Charles de Gaulle“ heißt sie, was schon ein bisschen stutzig macht, und wie bei den angrenzenden Rue Racine, Rue Montesquieu und Rue Diderot sieht ihr Straßenschild anders aus als das übliche Berliner Modell: weiße Schrift auf blauem Grund.

Das liegt daran, dass die Cité Foch in Reinickendorf von den französischen Alliierten errichtet wurde. Nach dem Mauerfall ging sie in Bundeseigentum über, der Bezirk hat die Rues und Avenues nie zu öffentlichem Straßenland umgewidmet. Das will er vorerst auch nicht tun, weil er sonst deren Sanierung bezahlen müsste.

Die Wohnungen im Viertel sind inzwischen saniert und komplett vermietet. Der restlichen Infrastruktur geht es weniger gut: Die Kirche Ste Geneviève ist entweiht, das Schwimmbad eingemottet, das Collège Voltaire soll ein „Bewachung durch Bewohnung“-Projekt vor Vandalismus schützen. Und das Einkaufszentrum, die Nummer Sieben (genauer: 7–14), ist nicht mehr zu retten. Schon vor Jahren haben sich die letzten Mieter – ein Aldi und eine Fitness-Kette – aus dem straßenblockgroßen, terrassierten Gebäude verabschiedet. 1975 wurde es gebaut, seine silbrige Metallhaut und die gerundeten Ecken erinnern an das ICC.

Aber während dessen Schicksal in den Sternen steht, rückt hier das Räumkommando an, irgendwann jedenfalls. Im Sommer wurde die Immobilie zwangsversteigert, laut Bezirk will der neue Eigentümer es an jemanden weiterverkaufen, der es abreißt und Wohnungen baut.

Hier wäre Platz für vieles

Wohnungen werden ja gebraucht. Trotzdem ein Jammer. Was könnte man nicht aus so einem Bau machen, Kunsträume, urbane Gärten, irgendetwas Kreatives, wofür in der Stadtmitte kein Platz mehr ist. Dagegen spricht aber dreierlei: erstens, das Verwertungsinteresse des Eigentümers. Zweitens, die Lage („Reinickendorf? Gehört das zu Berlin?“). Drittens, die menschliche Doofheit.

In den letzten Jahren sind wir ein paar mal eingestiegen und durch die leeren Räume gewandert, haben den Kinosaal bewundert und uns am Abgrund gegruselt, der früher die Rolltreppen enthielt. Man kam problemlos hinein, denn – so viel zum Thema Doofheit – irgendwelche Kids hatten sich viel Mühe gegeben, alles Glas zu zertrümmern und die sonstigen Reste des Interieurs zu Kleinholz zu machen. Ein toller Abenteuerspielplatz, aber nur zum einmaligen Gebrauch.

Vor ein paar Monaten wurde alles verrammelt. Jetzt wartet man auf die Bagger. Adieu!

CLAUDIUS PRÖSSER