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Archiv-Artikel

TANIA MARTINI LEUCHTEN DER MENSCHHEIT Youth of Today: Unite!

Da waren sie wieder, die Jugendlichen. Ohne Partei, ohne Anführer, ohne Programm. Wo das aufklärerisch-kritische Ethos der Bild-Zeitung in Tunesien zunächst den Mob am Werk sah, berichteten Beobachter schnell von vielen gut ausgebildeten jungen Menschen.

Sie revoltieren gegen eine staatliche Unterdrückung, die Kritik bereits im Keim erstickt, gegen Korruption und Schikane und gegen die Aussichtslosigkeit ihrer sozialen Lage in einem Land, in dem materielles Auskommen meist an schlechte Arbeitsbedingungen oder gar an direkte Abhängigkeitsverhältnisse gekoppelt ist.

Sie sind viele. Ein demografischer Altersdurchschnitt von 29 Jahren lässt das erahnen. Für die mit guter Ausbildung gibt es so gut wie keine entsprechenden Jobs.

Klargeworden ist, dass die Gesellschaften des Maghrebs in Veränderung begriffen sind, die jetzige Revolte könnte der Beginn einer Demokratisierung sein, wenn die Zeichen auch zunächst auf Restauration stehen. Was die letzten Tage auch gezeigt haben, ist, dass es in Europa immer noch viel zu üblich ist, jedwede Veränderung oder Modernisierungstendenz in postkolonialen Gesellschaften als Verallgemeinerung des westlich-europäischen Modells zu denken. Dass die Kategorien der europäischen Moderne für eine Analyse allein nicht taugen, zeigt der Mitbegründer der „Subaltern Studies“, Dipesh Chakrabarty, in seiner jüngst erschienenen Aufsatzsammlung „Europa als Provinz“ (Campus, 2010) noch einmal.

Der eurozentrische Snobismus tut so, als hätten wir es mit homogenen Wertegemeinschaften zu tun, die sich linear entwickeln, ohne alte und neue transnationale Abhängigkeiten und Machtverhältnisse zu thematisieren, die hier wie dort Armut und Ausschluss produzieren. Dabei haben die Jugendlichen, sei es in Tunesien, sei es in den Pariser Vororten das einfachste und beste aller Argumente: anders leben zu wollen.

■  Die Autorin ist Kulturredakteurin der taz Foto: privat