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Synode der evangelischen KircheStreikrecht ist kein Grundrecht

In kirchlichen Einrichtungen darf weiterhin nicht gestreikt werden. Das hat die EKD bei ihrer Synode beschlossen. Verdi-Chef Frank Bsirske nennt den Beschluss "skandalös".

Streikrecht ist Grundrecht? Nicht bei der evangelischen Kirche. Bild: dpa

FREIBURG taz | Die evangelische Kirche (EKD) hat das Streikverbot in kirchlichen Einrichtungen per Kirchengesetz bekräftigt. Der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske nannte den Beschluss "skandalös".

Bei ihrer Synode in Magdeburg beschloss die EKD am Mittwoch ein Kirchengesetz, das die Arbeitsverhältnisse der MitarbeiterInnen in der Diakonie regelt. Löhne und Arbeitsbedingungen werden demnach nicht per Tarifvertrag, sondern in "arbeitsrechtlichen Kommissionen" ausgehandelt, in denen Arbeitgeber und Beschäftigte in gleicher Zahl sitzen.

Kommt es dort zu keiner Einigung, folgt eine verbindliche Schlichtung mit einem neutralen Vorsitzenden. "Dieses Verfahren schließt Streik und Aussperrung aus", heißt es im Kirchengesetz.

Das jetzt beschlossene Kirchengesetz soll ein Leitbild für die gesamte Diakonie sein. Rund 450.000 Menschen sind in den sozialen Einrichtungen der evangelischen Kirche beschäftigt. Das jetzt beschlossene innerkirchliche Gesetz gilt direkt aber nur für das Diakonische Werk auf Bundesebene, wo etwa die Hälfte der Diakonie-Beschäftigten arbeitet.

Auf Ebene der Landeskirchen sind abweichende Regelungen möglich. So können in der nordelbischen Landeskirche und in Berlin-Brandenburg die diakonischen Werke weiter Tarifverträge mit Verdi aushandeln. Ein Streikverbot gilt aber auch dort.

In einer begleitenden Resolution hat die Magdeburger Synode beschlossen, dass kirchliche Unternehmen mit Sanktionen (bis zum Ausschluss aus der Diakonie) rechnen müssen, wenn sie Bereiche wie den Putzdienst ausgliedern, um Löhne drücken zu können. Wie häufig solche Entwicklungen sind, soll nun durch ein unabhängiges Institut untersucht werden. Die diakonischen Einrichtungen werden verpflichtet, Informationen zu liefern. Die Mitarbeitervertretungen der Einrichtungen sollen zudem rechtlich und finanziell aufgewertet werden. Sie ersetzen Betriebsräte, die es in der Diakonie auch nicht gibt.

Bis 2013 soll die Kirchenleitung Vorschläge zur Weiterentwicklung des kirchlichen Arbeitsrechts vorlegen, so die Synode. Schon im Frühjahr 2012 wird das Bundesarbeitsgericht über das Streikverbot in kirchlichen Einrichtungen entscheiden.

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12 Kommentare

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  • D
    Dhimmitry

    Mißbrauch und Ausbeutung. Klingt eher nach Mafia als nach Nächstenliebe...

     

    Wer will da noch mitmachen?

  • A
    axel

    Es gibt viele Gründe, aus der Kirche auszutreten.

  • W
    Weinberg

    Jeder hat die Freiheit, einer Religionsgemeinschaft nicht anzugehören.

     

    Niemand wird gezwungen, in einem Unternehmen einer (der Nächstenliebe verpflichteten?) Religionsgemeinschaft zu arbeiten.

     

    Beherzigt man diese zwei Grundsätze, dann wird der religiöse Sumpf in kürzester Zeit austrocknen!

  • R
    Randbemerker

    Immer wieder faszinierend was in der Bundesrepublik so alles Gesetze "erlassen" darf.

    Naiv wie ich bin ging ich davon aus, dass die Gesetzgebungskompetenz bei demokratisch gewählten Parlamenten läge. So kann man sich täuschen.

    Das raffgierige Pfaffenpack beutet die MitarbeiterInnen aus und verdient noch brav an den Kassenbeiträgen.

    Und in manchen Gegenden haben sie per Krankenhausbedarfsplan auch noch sauber die säkulare Konkurrenz ausgebootet.

    Man kann mal wieder nicht soviel essen wie man kotzen möchte...

  • WB
    Wolfgang Banse

    Soberstatus als arbeitgeber

    Die kirchelichen Arbeitgeber,hier die Evangelische Kirche nehmen als Arbeitgeber einen Sonderstatus ein,was das Untersagen von Streiks anbetrifft,Grundrechzte sind zugleich auch Menschenrechte,offenbar gilt dies nicht für die Kirchen in der Bundesrepublik-Deutschland.Die Kirchen sind Teil dieser Gesellschaft,dem entsprechend sollten auch hier die in der Verfassung der Bundesrepublik-Deutschland garntierten Rechte Anklang finden.

    Als Arbeitgeber gehen die Kirchen nicht mit gutem Beispiel voran was Ausbildungs-und Arbeitsplätze für gehandicapte Menscxhen betrifft.Erst einmal i den eigenen Spiegel schauen ob alles in Ordnung ist,bevor immer anderen der Spiegel und die erhobene Hand vorgehalten wird.Nicht alles beinhaltet Kirche,was sich Kirche in der Nachfolge Jesu nennt.

  • L
    lupuslupohomo

    Was heißt bitte "darf" nicht gestreikt werden?? Wer verbietet so was? Ah ja, die Einrichtungsleitung oder ihr Spitzenverband oder die Synode, die ihre Satzung Gesetz nennt. Na, schaun wir mal, was das Bundesarbeitsgericht oder das Bundesverfassungsgericht dazu sagen werden, die schließlich auf die Gesamtheit der Grundrechte achten - und sie in Einklang bringen - müssen. Schließlich stehen Koalitions- und Streikrecht auch im Grundgesetz.

  • S
    sigibold

    Es gibt Kaninchenzüchtervereine, Skatvereine, Sportvereine und Religionsvereine. Wieso haben letztere eigentlich diesen verdammten Sonderstatus? Man sollte die Kirchen rechtlich ganz normalen Vereinen gleichstellen. DAS wäre eines wirklich säkularen Staatswesens würdig.

     

     

    sigibold

  • WK
    Wolfgang Kischkel

    Liebe taz,

     

    es tut mit Leid, aber einen ähnlich naiven Artikel über die Beschlüsse der Synode muss man in der gegenwärtigen Berichterstattung erst einmal finden. Der Verfasser ist nicht in der Lage das Einmalige und das obszön Undemokratische dieses Beschlusses einzuschätzen. Der Skandal liegt darin, dass erstmalig eine Glaubensgemeinschaft. den Versuch unternimmt, sie könne aufgrund ihres Selbstverwaltungsrechts Grundrechte außer Kraft setzen.

    Natürlich ist der Streik ein Grundrecht. Es ist sogar ein Menschenrecht und ist in der Europäischen Konvention für Menschenrechte verankert.

     

    Es ist ein riesiger Unterschied, ob eine Glaubensgemeinschaft ohne Einmischung des Staates ihre inneren Angelegenheiten selber regelt oder ob sie meint, sie könne eigenmächtig aufgrund ihres Selbstverwaltungsrechts Menschenrechte außer Kraft setzen.

    Von daher ist die von Franz Bsirske gewählte Bezeichnung „fundamentalistisch-theologisch“ nicht als polemische Zuspitzung zu verstehen, sondern sie trifft ins Schwarze. Warum sollten andere Glaubensgemeinschaften nicht ebenfalls für sich in Anspruch nehmen, das Grundgesetz außer Kraft zu setzen.

     

    Nein, dieser Artikel ist mir nichts wert.

  • W
    wolf

    Kaum zu glauben....

     

    Unter Synodalen finden sich Laien, welche in der kirchlichen ehrenamtlichen Arbeit ihre Erfüllung suchen. Sie treten in dieser Rolle in ihren eigenen Gemeinden plötzlich als Arbeitgeber auf. Ihr Ehrenamt wird (obwohl daran auch von Seiten der Laien kräftig laboriert wird)ohne Bezahlung bekleidet. Nun tritt der seltsame Effekt auf, daß sich hier ehrenamtliche "Vorgesetzte" und "bezahlte (was auch immer da hineininterpretiert wird) Angestellte" gegenüberstehen und die bezahlte Leistung von den ehrenamtlichen nichtbezahlten Mitarbeitern innerlich (und manchmal sogar halböffentlich)als überbezahlte Tätigkeit wahrgenommen wird.

     

    Von bezahlten Mitarbeitern glaubt der Ehrenamtliche mindestens dasselbe erwarten zu dürfen, was er von sich selbst und seiner eigenen Leistung im Ehrenamt glaubt (ups, da kommt jetzt wirklich mal Glaube ins Spiel).

     

    Und warum um Gottes Willen soll jetzt ein ehrenamtlicher selbstloser Synodaler dem in seinen Augen (oder eher seinem Bauch nach) überbezahlten kirchlichen oder auch diakonischen Mitarbeiter auch noch das Streikrecht gewähren?

     

    Nicht zu glauben?

  • C
    Celsus

    Interessant. Da soll also das Streikrecht kein Grundrecht sein. Gerne lesen die Kirchenvorstände die Verfassung bis zur Glaubensfreiheit. Danach wird das Lesen eingestellt. Aber in Artikel 9 Absatz 3 Satz 1 und 2 Grundgesetz sind folgende Sätze enthalten:

     

    "Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet.

    Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig."

     

    Zwar dürfen Pfarrer und sonstige "Kirchenbeamte" tatsächlich nicht streiken. Für die normalen ArbeitnehmerInnen - und nur da sind die Gewerkschaften auch streikfähig - gilt das meines Erachtens aber nicht.

  • H
    Holgerlein

    Welcher Bsirske ist empört? Etwa der Bsirske, der nur noch Armani-Hemden mit Manschettenknöpfen trägt? Der so viel verdient wie ein DAX-Vorstand? Der seine eigenen Mitarbeiter bis aufs Blut ausbeutet? Ach, der Bsirske - ja, der ist ja besonders authentisch!

     

    Bis auf die GDL dürfte Deutschland nur noch Bonzen-Gewerkschaften haben - man muss sich echt schämen.

  • GR
    Grund recht

    Ständig von direkter Demokratie faseln aber bei Gewerkschaften und Tarifverhandlungen nicht damit anfangen wollen. Schon traurig.

    Statt Streik kann man auch anonyme Melde- und Abstimmungs-Systeme etablieren.

    Wenn jeder sein Gehalt anonym outen kann oder Krankenkassen, Rentenversicherung oder Arbeitsamt die jeweils 15%, 19% oder 1,9% bekommen und die Löhne jedes Arbeitgebers glasklar kennen und nennen könnten, würde man Lohngerechtigkeit auch ohne Streiks und Aussperrungen schaffen können.

    Tarife werden dann Punkt für Punkt abens in den 5 "Demokratie-Minuten" abgestimmt.

    Anonyme Vorschlagssysteme u.ä. gibts dann natürlich auch. Dann würden Verträge endlich Klauseln enthalten wie "Überstunden und Zeitarbeit ist zuerst per Plansystem (Ipad) an die vorhandenen Teilzeit-Mitarbeiter zu offerieren damit die sich was dazuverdienen können"... .

    Verdi soll erst mal Befragungssysteme bei sich selber einrichten statt Basta Top Down regieren zu wollen.

    Dann würde man per internet Fragen wie "fühlst Du dich gemobbet/kennst du wen der gemobbed wird" "wie äussert sich mobbing" ... als App/Web-Umfragesystem betreiben. Mit den (geheimen detaillierten) Ergebnissen pro Firma klingelt man dann bei kik, lidl, Aldi usw.

    Das ist trivial. 700.000 Euro halte ich dafür mehr als zu teuer. Leider wollen Gewerkschaften, Linke, Piraten, Grüne, digiges usw. es nicht machen.