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Synchrone Träume vom Glück

■ „42nd Street“ nach drei Jahren wieder in Hamburg

Die Dreißiger Jahre müssen eine harte Zeit gewesen sein – in Europa sowieso, aber auch im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Ein deutliches Indiz hierfür mag die damalige Seifenoper-Hochkonjunktur sein, die das Bedürfnis der von Prohibition und Wirtschaftskrise gebeutelten Menschen nach einer heilen Welt widerspiegelte. Doch wer jetzt glaubt, die Tellerwäscher der heutigen reichen und alkoholisierten Welt hätten keine Träume mehr, hat weit gefehlt.

Wie anders ist es zu erklären, daß ein Musical wie 42nd Street, inhaltlich den reinen banalen amerikanischen Traum vorgaukelnd, schon zum zweiten Mal nach 1991 als Sommerbespielung des Deutschen Schauspielhauses Zuschauerscharen in seinen Bann zieht. Sind es tatsächlich die naiven Hoffnungen unserer Yuppies auf die eigene Firma oder die Märchenprinzwünsche einsamer Hausfrauen, die einen perfekt inszenierten Schmalz zum Kassenschlager machen?

Oder sind es mehr die versteckten Mauerblümchen, die bunt ausstaffierten grauen Mäuse, die in ihren Träumen im Rampenlicht statt hinterm Kassenschalter stehen? Denn wenn Peggy Saywer vom verschüchterten Steptalent innerhalb von 36 Stunden zum Broadwaystar aufsteigen kann, bestätigt das den unverrückbaren Glauben auch der Hamburger Zuschauer an die intakte Welt.

Daß Sweet-Peggy zunächst dem eigentlichen Star im Stückes die Haxen brechen muß (aus Versehen versteht sich ganz freudianisch), daraufhin gefeuert wird, bevor sie die Chance ihres Lebens erhält, gibt der Geschichte den Reality-touch, den perfekte Träume nötig brauchen. So ist das Leben als Musical.

Dargeboten wird der nette Kitsch mit choreographischer Professionalität und akribischer Synchronität, die den Kritiker wie das Publikum begeistern kann. Schließlich bekommt man noch jede Menge hübscher bunter Bühnenbilder und noch mehr farbenfrohe Kostüme zu sehen. Das ist doch was: Viel Spaß dabei!

Andreas Dey

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