Synagogen-Bau in Potsdam: Neues Gotteshaus bröckelt
Kaum hat der Bau begonnen, liegt er schon auf Eis: Weil drei jüdische Gemeinden über den Entwurf der neuen Synagoge streiten, verhängt die Regierung einen Baustopp.
Der geplante Neubau der Synagoge in Potsdam steht vor dem Aus: Weil sich die drei jüdischen Gemeinden in der brandenburgischen Landeshauptstadt über die Gestaltung und Nutzung des Gotteshauses nicht einigen können, haben die Staatskanzlei und das Kulturministerium als Bauherren jetzt einen Baustopp verhängt. Es ist offen, ob der 2009 prämierte Entwurf des Berliner Architekten Jost Haberland jemals realisiert wird. Auf dem Grundstück an der Schlossstraße war bereits mit dem Aushub der Baugrube begonnen worden. 2012 sollte die Synagoge eröffnet werden.
Hans-Georg Moek, Sprecher im Kulturministerium, bestätigte gegenüber der taz das vorläufige Ende des Bauvorhabens in Potsdams historischer Mitte. "Das Projekt hat so nicht funktioniert", die beteiligten jüdischen Gemeinden hätten zu weit auseinanderliegende Vorstellungen über die Zwecke des Gebäudes gehabt. Moek rief die jüdischen Gemeinden auf, sich noch in dieser Woche mit der Landesregierung "an einen Tisch zu setzen und zu beraten, wie man weiter verfährt". Das Land stehe zu der Synagoge, so Moek. Die Gelder für den Neubau in Höhe von rund 5 Millionen würden "weiter vorgehalten".
Seit dem Fall der Mauer 1989 haben sich jüdische und nichtjüdische Bürger für einen Neubau der Potsdamer Synagoge engagiert. Diese war 1938 von den Nazis geschändet und am Ende des Zweiten Weltkriegs von Bomben zerstört worden. Zu DDR-Zeiten wurde kein neues jüdisches Gotteshaus in Potsdam errichtet.
Nach der Zusage des Brandenburger Landtags und von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), den Neubau zu finanzieren, entschied sich eine Wettbewerbs-Jury 2009 für den Haberland-Entwurf: Dieser sieht eine zweistöckige, moderne Architektur mit schnittiger, glatter Fassade vor. Im Inneren sind ein zweigeschossiger Betraum sowie Büros, Gemeinde- und Veranstaltungsräume geplant.
In den vergangenen Monaten sorgten die Pläne für heftige Auseinandersetzungen und lautstarken Streit unter den Mitgliedern der drei beteiligten jüdischen Gemeinden. Während die Anhänger der Jüdischen Gemeinde und ihres Bauvereins Neue Synagoge die moderne Architektursprache des Bethauses unterstützten, sprach sich Ud Joffe von der neuen Synagogengemeinde sowie der gegründete Förderverein für die neue Synagoge für eine repräsentativere Fassadengestaltung und für zusätzliche kulturelle sowie "offene" Nutzungen aus.
Einigung ungewiss
Shimon Nebrat von der orthodoxen Gesetzestreuen Jüdischen Landesgemeinde hingegen forderte die Einrichtung eines großen jüdischen Gemeindezentrums im Haus, was die anderen Gemeinden so nicht akzeptierten. Die drei jüdischen Gemeinden in Potsdam haben derzeit insgesamt rund 550 Mitglieder.
Ob sich die drei Streithähne einigen können, ist ungewiss. Ebenso fraglich ist, wann es zum Weiterbau der Potsdamer Synagoge kommt. Peter Schüler vom Bauverein zeigte sich enttäuscht über den Baustopp, sieht aber "keine Alternative zu den Haberland-Plänen". Sollten diese jetzt ganz zu Fall gebracht werden, schließe er einen Rücktritt von der Spitze des Bauvereins nicht aus, so Schüler am Dienstag.
Ulrich Zimmermann, Vorstand im Förderverein, spricht dagegen von der "Möglichkeit eines Neuanfangs". Er sei sicher, dass sich die drei Gemeinden zusammenrauften und einigten.
Nach Ansicht Zimmermanns müssten alle Partner "zunächst das Nutzungs- und Betreiberkonzept für den Bau neu abstimmen". Dabei sollte geprüft werden, ob das umstrittene Gemeindezentrum nicht ausgelagert werden könne.
Zugleich sollten die Beteiligten noch einmal über die Gestaltung beraten. Die geplante Architektur "sei der Öffentlichkeit zu wenig repräsentativ", sagte Zimmermann zur taz. Dem Haberland-Entwurf gibt er darum nur wenig Chancen, realisiert zu werden. Sein Förderverein plädiere für einen neuen Wettbewerb.
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