Susanne Messmer hat sich ihr Handy klauen lassen: Dieser Quatsch mit der Ortung
Seit zwei Jahren immer wieder dieser Schreckmoment. Handy? Ach da. Seit zwei Jahren ist der Rechner kaputt, seit zwei Jahren nehme ich mir vor, ihn endlich reparieren zu lassen. Oder endlich diesen Online-Dienst zu kaufen, der die Handydaten automatisch hochlädt – so unheimlich das auch sein mag.
Tja, es kommt natürlich, wie es kommen muss, man nennt es auch sich selbst erfüllende Prophezeiung: schlecht geschlafen, zerstreut, drei Telefonate auf dem Weg zur Arbeit. Handy im Fahrradkorb gelassen, der Schreckmoment kommt 10 Minuten zu spät.
Nach dem ersten Heulkrampf wegen der vielen Bilder auf dem Smartphone und weil das Ding mit dem kaputten Display doch eh nichts mehr wert war: Man kann, liebe Handyhersteller, schlecht sein mobiles Endgerät sperren, wenn man das Passwort vergessen hat, das einem nur per SMS zugestellt werden kann.
Außerdem, liebe Handyhersteller: Es ist ja schön und topmodern, wenn man sein Handy orten kann. Nur leider, und das sagt einem vorher natürlich kein Mensch: Meist schaltet der Dieb das Handy, das er gerade ergattert hat, sofort aus – und danach auch nicht wieder ein. Dann kann es auch nicht geortet werden. Und: Wer in einer großen Stadt lebt, der wird sein Handy meist in einer Mietskaserne orten. Und in jeder Mietskaserne wohnen mindestens 10, meist eher 20 Parteien.
„Da können wir nix machen“
„Da können wir leider nix machen“, erklärt die ebenso freundliche wie attraktive Polizistin in meinem Abschnitt, zu dem ich gefahren bin, als mein Computer am Abend nach dem Diebstahl behauptet, das Handy sei unglaublicherweise und wider Erwarten nun doch eine Stunde lang unter einer Adresse in Nordneukölln geortet worden. Ich habe einen Ausdruck des Stadtplans mitgebracht, den der Rechner ausgespuckt hat. Inklusive Punkt, wo das Handy jetzt sein könnte.
Die Polizistin hat einen Kollegen in Neukölln angerufen, der will da aber nicht reingehen. An der Adresse gebe es riesige Mehrfamilienhäuser, sagt er. Die Polizistin will dem Neuköllner Polizisten eine „Zuarbeit“ schreiben, wie sie sagt. Das Problem ist, dass sie meine Anzeige nicht findet, die ich online aufgegeben habe. Ich hätte mir die Vorgangsnummer aufschreiben müssen. Wir leben in der Steinzeit des digitalen Zeitalters, denke ich mal wieder, und fahre kurzerhand nach Neukölln. Unter der Adresse findet sich keine Mietskaserne, sondern ein Ensemble mit teilweise 12 Stockwerken hohen Mietshäusern. Ich betrachte verzweifelt das Klingelschild. 290 Namen. Ich fahre wieder nach Hause.
Inzwischen habe ich schon mehr als 300 Fotos beisammen, die ich in den letzten zwei Jahren irgendwann einmal irgendwem geschickt habe. Morgen besorge ich mir dieses neue, rote Handy, das mir so gut gefällt, inklusive Online-Dienst und automatischem Hochladen. Aber ohne Ortung.
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