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Survival of the Fittest

■ Zukunftskonferenz am ZKH Ost: :„Ein Team. Ein Ziel. Ihr Wohlbefinden“ / 250 Beschäftigte machen sich drei Tage lang Gedanken über die Klinik von morgen

Der Kampf ums nackte Überleben der staatlichen Krankenhäuser wird mit Worten ausgefochten. „Haus der ansteckenden Gesundheit“, schlägt der Bremer Unternehmensberater Jürgen Bretfeld vor. Durch „Kommunikation und Motivation“ der Krankenhausangestellten möchte er „Rationalisierungspotentiale“ aufdecken und über ein gemeinschaftliches Erlebnis soll „Energie erzeugt“ werden.

Das „Event“, bei dem diese „Partizipationsprozesse“ in Gang gesetzt werden sollen, heißt „Real-Time-Strategic-Change-Konferenz“ und geht nach zwei Tagen heute im World Trade Center zu Ende. Unter der Obhut von Bretfelds „Corporate Identity Consultants“ werden rund 250 MitarbeiterInnen des Zentralkrankenhauses Bremen Ost auf die Zukunft vorbereitet. Und die Zukunft sieht finster aus, wenn man dem ärztlichen Direktor, Dr. Hans Haack, zuhört: Auf der einen Seite eine Gesellschaft, die immer älter und kränker wird, auf der anderen eine Politik, die sich aus der Verantwortung stiehlt und Krankenhäuser den Kassen zum Fraß vorwirft. „Früher haben wir Geld dafür bekommen, dass wir Patienten möglichst lange behalten, jetzt müssen wir sie möglichst schnell loswerden“, so Haack.

Daher seien die Kliniken gezwungen, wirtschaftlich zu denken und zu handeln, daher die Begriffe aus moderner Unternehmenskultur, daher die „Zukunftskonferenz 2001 – „europaweit einmalig“. Zu Beginn soll ein Vertreter der Innungskrankenkassen den MitarbeiterInnen den Ernst der Lage klar machen. Im weiteren Verlauf wird – unterbrochen von Plenarsitzungen – in Kleingruppen à zehn Personen an sechs „Kernthemen“ gearbeitet. Es geht um Identifikation mit der Arbeit durch den Team-Gedanken, Wissens- und Informati-onsmanagement, MitarbeiterInnenführung, Qualitätssicherung, „eigenverantwortliches und wirtschaftliches Handeln“ und darum, „den uns anvertrauten Menschen gerecht“ zu werden. PatientInnen sind eben keine KundInnen im unternehmerischen Sinne, und daher läge hier die Grenze aller Wirtschaftlichkeit, sagt Haack.

„Wir sind in gewisser Weise stolz darauf, ein Non-Profit-Bereich zu sein, aber der Profit-Bereich macht vor den Krankenhaustüren nicht halt.“ Dabei gäbe es in der Gesundheitsvor- und nachsorge einige Optionen: ambulante Operationen, Tageskliniken und die Einrichtung von neuen „intermediären Diensten“, die fachliche Pflege bieten, aber keine ärztliche Präsenz. Bei aller Wellness und Gesund-heitsvorsorge – das Problem des teuren stationären Bereiches bleibt. „Auf diesen dicken Brocken wird raufgehaun“, ergänzt Krankenhaus-Insider Bretfeld. In Bremen seien noch 100 Krankenhausbetten für 10.000 Menschen vorgesehen, in Berlin und Hamburg nur 50 Betten. „Und wenn die das machen, dann laufen die Köpfe hier auch schon heiß“, glaubt Haack. Das schüre Konkurrenz: Welches Krankenhaus haushaltet am besten mit seinen minimalen Zeit- und Budgetreserven und überlebt am Ende?

Also werden auf der Konferenz vor allem AbteilungsleiterInnen, aber auch „einfache“ Angestellte in allen Klinikbereichen inklusive Reinigungsdienst ans Sparen gemahnt. Haack bringt ein Beispiel: Manchmal sei „nur“ die billige Variante des schönen neuen teuren Ultraschallgerätes drin, weil ja andere auch noch wollen. „Das heißt aber auch, dass es mit den feudalistischen Strukturen in kapitalistischen Zeiten ein Ende haben muss“, sagt Jochen Killing vom Personalrat des ZKH Ost und Gesamtpersonalrat. Damit meint er die „Chefarzt-Clans“, die in erster Linie an „ihr Haus“ und ihren Ruf als Professor DoktorDoktor denken. Die Gefahren der neuen wirtschaftlichen Zukunft sieht er in den Tendenzen zur Privatisierung, denen die Tarifverträge der Angestellten zum Opfer fallen.

Finanziert wurde die Konferenz zum größten Teil vom Krankenhaus selbst. Die angefragten Sponsoren aus der Pharmaindustrie und Lebensmittelbranche wollten nicht. „Die haben da etwas nicht verstanden,“ grummelt Haack. „Wir sind ein Wirtschaftfaktor in Bremen und haben einen größeren täglichen Verbrauch als Bundeswehrstandorte!“ Eiken Bruhn

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