■ Surfbrett: Der Krieg frißt das freie Internet auf
Wer heute Computerfreaks auf dem Balkan finden will, muß Umwege gehen. Viele Provider, nicht nur die serbischen und albanischen, auch die in den Nachbarländern, haben sich aus dem Web verabschieden müssen, entweder weil ihre Computer demoliert, geraubt oder einfach weil die Telefonleitungen gekappt wurden. Leider ohne jeglichen Hinweis ist die Online-Ausgabe der Kosovo- Zeitung Koha Ditore (www.kohaditore.com) verschwunden. Kein Link, nichts. Das stimmt verdammt traurig, denn diese Adresse war ein guter Ausgangspunkt für Balkan-Surftouren. Bislang war etwa das Abkommen von Rambouillet nur hier in voller Länge abrufbar, samt vieler Diskussionsbeiträge zu dem gescheiterten Friedensplan.
Bleibt zu hoffen, daß sich Koha Ditore wieder zurückmeldet, so frisch wie bis vor kurzem. Denn genau das kann man von der serbischen Gegenseite, der Webseite des Belgrader Alternativradios B92 nicht mehr sagen. Unter der Adresse, die letzte Woche an dieser Stelle genannt wurde (www.b92.net), liegt inzwischen ein Mischmasch aus älteren, pazifistischen Texten, verdeckter Kriegsberichterstattung und Gejammer über die von aller Welt mißverstandenen Serben. Die Ereignisse überschlagen sich. Erst wurde der Sender auf UKW gestoppt, dann im Internet als RealAudio behindert und zuletzt von der kritischen Redaktion gesäubert. Die neuen Herren wollen in diesen Tagen wieder ein Vollprogramm bieten, über UKW, RealAudio und einer Homepage. Wer das echte B92 sucht, muß über Holland zu XS4all ausweichen. Die Website unter www.helpB92.xs4all.nl ist noch im Aufbau. Mehr über XS4all-Aktivitäten zum Balkan ist unter www.domovina.net/index_tmp/html zu finden. Auch Za-Mir („Für Frieden“), die legendäre Mailbox aus dem bosnischen Krieg, arbeitet weiter. Im Web ist sie unter www. peacenet.org/balkans erreichbar und bietet nützliche Links an.
Weil der Krieg aber immer mehr unabhängige, kritische Beobachter und Netzpioniere in die Computerverbannung drängt, sind heute Adressen wie die von CNN (www.cnn.com/balkans) oder die der BBC (www.news .bbc.co.uk:80/hi/english/world) die informativsten. Die jeweiligen Web-Master geben sich Mühe, ihre Linklisten zu aktualisieren. Da findet sich albanische Propaganda (www.albanian.com oder www.kosovo.net), die Befreiungsarmee UÇK (www.kosovapress.com), Flüchtlingsorganisationen (www.intrescom.org oder www.care.org) und außerdem allerlei Serbisches. Bei Bill Gates Fernseh-Standbein „MSNBC“ dagegen ist Vorsicht angebracht. MSNBC fand es in der letzte Woche schick, mit dem mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrecher Arkan Raznjatovc zu chaten. In der Krisenregion selbst, auch in Mazedonien und Albanien, sind Adressen oft nur stundenweise erreichbar, und die Leitungen brechen schnell zusammen. Für alle, die eine Balkan-Sprache beherrschen, ist die Suchmaschine www.yusearch.com empfehlenswert. Propaganda pur dagegen, auch in deutscher Sprache, ist rund um die Uhr von Radio Beograd unter www.beograd.com/radioyu zu hören – „eine freie Stimme gegen den Krieg“, nennen das die Betreiber. Karl Gersuny
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