Superlehrerin wird strafversetzt

Nachdem die Grundschullehrerin Sabine Czerny in der taz das bayerische Schulsystem kritisiert hat, soll sie bald versetzt werden. Das Vergehen der 36-Jährigen: die überdurchschnittlich guten Zensuren ihrer Schüler. Deren Eltern wollen sich wehren

VON CHRISTIAN BLEHER

Unmittelbar nachdem sie sich kritisch über die Benotungspraxis im bayerischen Schulsystem geäußert hat, ist die Grundschullehrerin Sabine Czerny von ihrer Schule in München-Germering versetzt worden. Am letzten Schultag, also zwei Tage nach Erscheinen eines entsprechenden Artikels in der taz (taz vom 30. 7. 2008), wurde ihr der blaue Brief überreicht. Kernbotschaft: Sie habe ab sofort in einer anderen Grundschule desselben Landkreises zu unterrichten. Die für die Versetzung verantwortliche Schulrätin Henriette Lemnitzer bestreitet, dass es darum gegangen sei, „jemanden zu bestrafen“. Manche Dinge müsse man tun, auch wenn sie unangenehm seien – „zum Wohle aller“.

Sabine Czerny hat freilich den Eindruck, dass es weder um ihr Wohl ging, noch um das der Kinder. Die hat sie nach intern bekundeter Einschätzung von Schulleitung und Schulamt offenbar zu erfolgreich unterrichtet – der gute Notendurchschnitt ihrer Kinder missfiel der Behörde. Das Schulamt habe nicht gefragt, wie sie es geschafft habe, dass 91 Prozent der Kinder aus ihrer vierten Klasse auf Realschule und Gymnasium wechseln durften, sagte Czerny. Stattdessen werde ihr nun vorgeworfen, „den Schulfrieden nachhaltig gestört zu haben“.

Nicht erst seit der Veröffentlichung des Falls vor einer Woche hatte die 36 Jahre alte Pädagogin, die seit über zehn Jahren unterrichtet, derartige Vorwürfe zu hören bekommen, sondern schon zu Beginn des Jahres. Da hatten ihre Kinder in mehreren klassenübergreifenden vergleichenden Arbeiten einen Einser-Notenschnitt erzielt. Czerny hatte sich durch die Schulleiterin genötigt gesehen, den Notenschnitt auf das durchschnittliche Niveau zu drücken – damit etwa gleich wenige Kinder aus allen drei vierten Klassen auf höhere Schulen wechseln würden. Ähnliches war ihr an ihrer Vorgängerschule widerfahren.

Das Bayerische Kultusministerium bezieht zu diesen Vorgängen keine Stellung, solange sie nicht den offiziellen Charakter eines „Dienstvorganges“ haben, wie ein Sprecher mitteilte. Es gebe von Seiten des Ministeriums keine Aufforderung, bessere oder schlechtere Noten zu erteilen. Die Leitung von Czernys derzeitiger Schule im Westen von München verwahrte sich in einer unveröffentlicht gebliebenen Presseerklärung im Namen der Kolleginnen und Kollegen gegen Czernys „böswillige Unterstellungen“. Mitglieder des Kollegiums dementieren jedoch auf Nachfrage nachdrücklich, dass sich die Schulleitung auf sie berufen könne. Der Brief sei lediglich vom Konrektor und drei weiteren KollegInnen verfasst und nicht mit den anderen etwa 20 LehrerInnen abgesprochen worden. Sabine Czerny hat einer Lehrkraft zufolge auf systembedingte Probleme aufmerksam gemacht, unter denen sehr wohl auch andere an ihrer Schule litten. Dazu gehöre auch der in entwürdigender Form aufgebaute Druck, einen mäßigen Notenschnitt sicherzustellen. Ein anderes Mitglied des Kollegiums versichert, Czerny sei stets „sehr kollegial und kompetent“.

Das haben auch die Eltern der von Czerny unterrichteten Kinder so erlebt. Deshalb wollen sie sich in einem offenen Brief geschlossen an das Schulamt, den bayerischen Kultusminister Siegfried Schneider (CSU) sowie Bundes-Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) wenden, um auf die grundsätzlichen Missstände aufmerksam zu machen. In dem Brief heißt es unter anderem: „Wir Eltern haben mit Staunen wahrgenommen, wie sich unter der Arbeit von Frau Czerny das Arbeitsverhalten unserer Kinder verbessert hat: Sie lernen gerne, sie wollen wissen und entdecken und sind mit Feuereifer bei der Sache.“