wortwechsel: Sunny Boy in gewittrigen Zeiten – ein Prinz dankt ab
Robert Habeck, Gallionsfigur der Grünen, ehemaliger Vizekanzler der Ampel, will nicht zum „Gespenst“ werden. Er verkündet in der taz seinen Rückzug aus der Politik. Gutes timing?

„Robert Habeck tritt ab: „Ich will nicht wie ein Gespenst über die Flure laufen“
taz vom 25. 8. 25
„Ich kann ihn verstehen“
Ich kann Robert Habeck verstehen. Ehrlich. Zwischen Politsprech, Dauerstress und Schlagzeilen wie „Habeck wackelt!“ hätte ich auch irgendwann gesagt: Leute, macht euren Kram doch allein. Was ich an ihm mag? Er klingt nicht wie ein Politiker. Kein Floskelsalat, keine „Wir müssen alle mitnehmen“-Sprüche. Er redet so, dass man ihn versteht – was im Bundestag ja fast schon als subversiv gilt. Dass er sich im Haifischbecken Berlin nicht mehr wohlfühlt, überrascht mich nicht. Wer lieber Bücher schreibt als Intrigen spinnt, ist da schnell außen vor. Und dann noch die Medien – täglich zwischen Lob und Laterne. Da bleibt einem ja nur noch der Rückzug mit Stil. Jetzt geht er also. Leise, ohne Show, ganz Habeck eben. Macht ihn nur sympathischer. Er will nicht Macht um der Macht willen – ihm ging’s immer um die Sache. Ich hoffe, wir hören trotzdem noch ab und zu von ihm. Denn ein bisschen Habeck tut der Politik gut. Auch – oder gerade – wenn er nur aus dem Off brummt. Achim Bothmann. Hannover
Das Amt kommt bekanntlich zum Manne oder zur Frau. Wer solch eine Reife im Denken und Handeln wie Robert Habeck zeigt, qualifiziert sich mit den eigenen Talenten aus sich selbst heraus für hohe Staatsämter. Gut und danke, dass er Vizekanzler war. Besonnenheit und Präzision im Denken, gepaart mit Herzlichkeit und Tatkraft sieht man nicht alle Tage an der Staatsspitze. Seine Reife und sein Ringen um Klarheit, parteiübergreifende Bündnisse und konstruktives Nach-vorne-Kommen qualifizieren ihn früher oder später auch zum Bundespräsidenten. Über 40 ist er ja schon, wie das Grundgesetz für Bellevue verlangt, auch wenn er jünger wirkt. Nun braucht er erst mal neuen Wind um die Nase. Für mich hat er etwas Präsidiales, a german Kennedy. Robama? Habemus Habeck. Good luck! Der Kapitän geht noch nicht von Bord. Er macht seinen Weg, auch ohne Amtstitel.
Arno Schelle, Fredelsloh
Habeck gibt nicht auf. Er kämpft mit sich, mit uns, sucht einen neuen Anfang durch Kulturwandel – forschen, lehren, lernen. Die Kulturkampfdebatte der C-Parteien, ein Ablenkungsmanöver von jahrzehntelangen Versäumnissen, war erfolgreich. Sie blieben stärkste Fraktion, mit 12 Stimmen Mehrheit der einst großen Koalition. Angewiesen auf Stimmen der Hauptgegner Grüne und Linke. Gejagt von eigenen Minderheiten, die noch nicht den Absprung zur AfD vollzogen haben. Ich hoffe auf die Konstruktivität Habecks. Klaus Warzecha, Wiesbaden
Man kann eigentlich nicht sagen, dass Robert Habeck gescheitert ist. Vielmehr war es so, dass ihn die Bild-Zeitung fertiggemacht hat. Sie hat eine monatelange Propagandakampagne gegen Habeck unter dem Stichwort „Heizungshammer“ gefahren. Davon konnte sich „der beliebteste Politiker“ nicht mehr erholen. Wie sagte Helmut Schmidt einmal: Man kann in Deutschland nicht gegen die Bild-Zeitung regieren. Robert Habeck hätte das wissen können.
Thomas Klikauer, Sydney, Australien
Freut sich denn niemand mit ihm und für ihn?! Helmi Saworski
„Ich werde nicht trauern“
„Der Erklärbär geht. Habeck war der einzige deutsche Politiker mit Popstarqualitäten. Er war selbstverliebt und lässig“,
wochentaz vom 30. 8. 25
Habeck hätte vielleicht für all die, die ihn mögen, politisch gerettet werden können, wenn die Grünen 2021 – Frauenquote hin oder her – den aussichtsreicheren Kandidaten aufgestellt hätten. Die Mehrheit in Deutschland wollte Grün-Schwarz plus Habeck als Kanzler. Er befände sich heute im Wahlkampf für eine zweite Legislaturperiode. An Berkeley dächte er gar nicht.
Nachtrauern werde ich Habeck aber sicher nicht, weil ich so gar kein Fan von philosophisch schwurbelnden Popstars in hohen Ämtern bin. Zutiefst enttäuscht bin ich, dass er immer noch nicht bereit ist, Die Linke mitzudenken und für eine gerechte Gesellschaft ins Boot zu holen. Das ist für jemanden, der neunmalklug daher redet, einfach nur dumm. Roswitha Halverscheid, St.Léger sur Vouzance
Ich war als Ex-Grünwähler auch enttäuscht von seiner Politik, den Rechten hinterher zu laufen, aber das „fetischhafte Wurstgefresse“ hat das Potenzial für das Wort des Jahres.
Hartmut Krollmann, Düsseldorf
Deutschland zahlt nun den Preis der schwarzen Null, unsere Bahn, unsere Brücken, unsere Schulen, unsere Straßen und sogar unsere Bundesfirma sind marode – und drei CSU-Verkehrsminister haben die Elektromobilität verschlafen, aber dafür Geld für die rechtswidrige Autobahnmaut verschleudert. Das verstehen die Leute. Damit hätte Habeck die Union unter Druck setzen können. Stattdessen hat er sich ständig ans Schienbein treten lassen. Das wirkt auf niemanden stark, weder auf die eigene Basis noch die politische Gegenseite. So kommt mensch nicht in die Position, sinnvolle Kompromisse auszuhandeln. Der grüne Schmeichelkurs hat es der Union erspart, sich schon im Wahlkampf mit der realen Finanzlage der Bundesrepublik auseinanderzusetzen. Hans Dembowski, Frankfurt a. M.
Wenn man an Habeck denkt, dann fallen einem Dinge ein wie Gasumlage, ein zurück getretener Staatssekretär oder das Heizungsgesetz. Die Wahrheit ist doch wohl, dass im Außen- und Wirtschaftsministerium Praktikanten am Werk waren.
Name ist der Redaktion bekannt
Der gebildete Habeck zitiert Hölderlin, der an seinen Freund Landauer eine Elegie schrieb. Hölderlin hat die französische Revolution voll Hoffnung für die Deutschen verfolgt. Das Gedicht beginnt: „Komm! ins Offene, Freund! Zwar glänzt ein Weniges heute nur herunter und eng schließet der Himmel uns ein. Trüb ist’s heut, es schlummern die Gäng’ und die Gassen und fast will mir es scheinen, es sei, als in der bleiernen Zeit …“
Albrecht Thielmann
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