Suhrkamp-Umzug II: "Berlin muss man in den Griff kriegen"
Nach dem Suhrkamp-Umzug an die Spree sollte der Verlag viel öffentliche Präsenz zeigen und Raum für Debatten schaffen, rät Blumenbar-Verlagsleiter Wolfgang Farkas - auch als Strategie gegen die Buchkrise.
taz: Herr Farkas, seit dieser Woche ist aus dem prominenten Frankfurter Suhrkamp Verlag ein Berliner Verlag geworden. Was bedeutet das für Sie als Verleger?
Wolfgang Farkas: Einer der wichtigsten Verlage der Bundesrepublik wird Teil der Berliner Kultur. Welche Folgen das haben wird, wie Suhrkamp über Empfänge und Lesungen hinaus die Stadt prägen wird, bleibt abzuwarten. Zunächst aber bedeutet der Umzug eine erhebliche Gewichtsverschiebung der Literaturszene in Richtung Berlin.
Der 42-Jährige leitet den Blumenbar-Verlag, der 2002 in München gegründet wurde. Blumenbar verlegt Zeitgenössisches, unter anderem von Raul Zelik und Tracey Emin.
Fast alle wichtigen Verlage haben mittlerweile ihren Hauptsitz hier. Ist Berlin endgültig zum literarischen Zentrum der Bundesrepublik geworden?
Von der Autorenpräsenz und der literarisch aufgeladenen Atmosphäre her ist es das bereits, ja. Was die Anzahl der Verlage betrifft, ist Berlin noch gleichauf mit München. Aber für viele Verlage mag es inzwischen auch eine ökonomische Notwendigkeit sein, nach Berlin zu gehen, vermutlich auch für Suhrkamp. Daher wird die Wanderungsbewegung Richtung Berlin weitergehen.
Mit Ihrem Verlag Blumenbar sind Sie letztes Jahr von München nach Berlin gezogen. Welche Erfahrungen haben Sie mit Ihrem Umzug gemacht?
Im Vergleich zu München ist Berlin die anstrengendere Stadt, Berlin muss man erst einmal in den Griff kriegen. Sowohl von der geografischen Dimension her als auch von der extremen Fragmentierung der Szenen. Es besteht die Gefahr, dass man sich als Neuankömmling in eine Nische setzt und sich ins kulturelle Leben einreiht, ohne groß aufzufallen. Uns ist es aber gelungen, nicht nur ein Indie-Verlag mehr zu sein: Bei unserer neuen "Hardcover"-Veranstaltungsreihe zusammen mit dem Berlin Verlag und dem Maxim Gorki Theater haben wir sehr unterschiedliche Menschen und Generationen zusammengebracht.
Sie sitzen in der Klosterstraße, Suhrkamps Domizil soll ab 2012 das Nicolaihaus in der Brüderstraße werden. Damit werden Sie Nachbarn. Wie finden Sie das?
Eine nette Aussicht. Obwohl es schwer zu sagen ist, warum sich Suhrkamp ausgerechnet diese Lage ausgesucht hat. In Berlin ist ja allein die Wahl des Standorts schon ein Politikum. Das jetzige, provisorische Suhrkamp-Domizil im Prenzlauer Berg ist ja recht szenig. Aber das Nikolaiviertel ist eher eine Touristenadresse. Es ist zwar mitten im Zentrum, signalisiert aber Abgeschlossenheit. Vielleicht liegt genau dort aber die Chance für Suhrkamp, sich neu zu erfinden.
Welchen Rat unter neu Zugezogenen können Sie dem Suhrkamp Verlag geben?
Nun ja. Suhrkamp hat die Bundesrepublik jahrzehntelang geprägt - und wir existieren gerade mal acht Jahre. Trotzdem haben wir als Verlage einiges gemeinsam: Die Branche befindet sich in einem extremen Umbruch. In fünf bis zehn Jahren wird der Buchhandel überwiegend digital sein. Wer seine Verlagskultur behalten will, darf sich nicht nur aufs Büchermachen beschränken, sondern braucht öffentliche Präsenz, reale Räume, in denen Debatten und Begegnungen stattfinden. Wer wie Suhrkamp den Anspruch hat, verlegerische Avantgarde zu sein, muss solche Räume besetzen und in der Stadt greifbar sein.
Glauben Sie, dass Ulla Berkéwicz-Unseld den Nimbus ihres Verlags vom Main an die Spree herüberretten kann?
Es wäre ihr zu wünschen, dass sie es hier schafft, Suhrkamp zu erneuern. Interessante Autoren, von denen viele hier leben, hat der Verlag ja. Berlin bietet außerdem gute Voraussetzungen: viel Platz und bezahlbare Räume. Diese Räume mit Inhalten aufzuladen, ist dann die Aufgabe, die jeder Verlag für sich lösen muss.
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