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Südkorea erlaubt freie Gewerkschaft

■ Trotz Streik–Ende bei Hyundai gehen die Ausstände in anderen Betrieben Südkoreas weiter / Unabhängige Gewerkschaften zum ersten Mal seit über zwei Jahrzehnten zugelassen

Seoul (afp) - Während die Arbeiter des größten südkoreanischen Industriekonzerns Hyundai die Arbeit am Donnerstag wiederaufgenommen haben, wurden aus anderen Betrieben des Landes zahlreiche neue Ausstände gemeldet. Nach Presseberichten wurden am selben Tag im Gebiet um die Hauptstadt Seoul 246 Betriebe bestreikt, gegenüber 20 am Vortag. Im ganzen Lande sind 148 neue Arbeitskonflikte ausgebrochen, lediglich 97 wurden beigelegt. Insgesamt werden jetzt in Südkorea 437 Betriebe bestreikt. Für das Wochenende haben Busfahrer in Seoul und der benachbarten Hafenstadt Inchon zum Generalstreik aufgerufen, nachdem auch am Donnerstag bei Lohnverhandlungen zwischen Gewerkschaftsvertretern und Busunternehmern keine Einigung erzielt worden war. Die Seouler Stadtverwaltung plant, rund 50.000 Privat– und Firmenbusse zu mobilisieren, um einen Zusammenbruch des öffentlichen Nah verkehrs zu verhindern. Derzeit werden in 27 Städten Taxiunternehmen bestreikt. Insgesamt sollen am Donnerstag nach Berichten der koreanischen Presse 140 Transportunternehmen landesweit von Arbeitskonflikten betroffen gewesen sein. Der Ausstand bei Hyundai, dem größten Industriekonzern des Landes, wurde nach Angaben eines Firmensprechers am Donnerstag durch eine Übereinkunft zwischen den Arbeitern und der Betriebsleitung beendet. Die Hyundai–Automobilwerke, die wegen fehlender Zulieferungen fast zwei Wochen lang stillgelegt blieben, wollen am kommenden Freitag die Fertigung wieder aufnehmen. Der Ausstand bei Hyundai konnte beendet werden, nachdem der Firmengründer Chung Ju– Yong am Mittwoch mit Arbeitern zusammengetroffen war, die die Firmenzentrale in Seoul besetzt hatten. Bei dem Treffen unterzeichnete er ein Abkommen, das die Zulassung unabhängiger demokratischer Gewerkschaften vorsieht. Die Arbeiter fordern inzwischen fast in allen bestreikten Betrieben eine 30prozentige Lohnerhöhung und Sonderprämie, die drei Mal im Jahr ausgezahlt werden sollen. Wirtschaftsexperten der Regierung fürchten, daß die nationale Wirtschaft, falls die augenblicklichen Arbeitskämpfe andauern, einen schweren Schlag erleiden wird. Der Auto– und Textilindustrie des Landes kostet den Angaben der Wirtschaftsexperten zufolge jeder Tag, an dem weiter gestreikt wird, zwölf Millionen Dollar. Chuns Regierung wird in Kürze ein Gesetz verabschieden, das den Mindestlohn auf 120 Dollar festsetzen soll. Die an der Lösung des Konfliktes beteiligten Politiker haben sich inzwischen darauf geeinigt, daß das neue Gesetz, das bis September ausgearbeitet werden soll, den Arbeitern zum ersten Mal seit über zwei Jahrzehnten die Bildung von freien und unabhängigen Gewerkschaften erlauben soll.

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