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■ Südafrikas ANC rüstet sich für härtere ZeitenBlick nach vorn im Zorn

Nelson Mandelas Gefühlsausbruch in seiner Abschiedsrede als ANC-Präsident gegen weiße Privilegien in Südafrika war überfällig. Jahrelang hat der Held der südafrikanischen Befreiung vor allem durch versöhnliche und ausgleichende Worte geglänzt – in einer Gesellschaft, die Versöhnung und Ausgleich auch dreieinhalb Jahre nach dem Ende der Apartheid erst zaghaft zu entdecken beginnt. Nun wählt er endlich einmal klare Worte gegen jene, die die ungebrochene Bewahrung musealer weißer Glitzerghettos hinter dem Schutz hoher Mauern und privater Milizen in einem Meer wachsender Armut für eine demokratische Errungenschaft halten.

In der ANC-Gefolgschaft grassiert schon seit längerem Unmut über das Schneckentempo, in dem sich Südafrikas Gesellschaft verändert. Die Begeisterung vieler Aktivisten für den Populismus einer Winnie Mandela oder für die vernichtende Kritik des vor kurzem aus dem ANC ausgeschlossenen Bantu Holomisa war ein Warnsignal, daß auch in den Townships und den Lehmhütten der Gleichmut nicht endlos ist. Um das zu kanalisieren, muß Mandela den Zorn an der Basis auffangen. Er kann diese schwierige Aufgabe nicht einfach seinem Nachfolger Thabo Mbeki überlassen, der dem ANC noch keine persönliche Marke hat aufsetzen können. Mandela will nicht als weltfremder Harmoniedusel in die vermutlich in Zukunft noch angespannte und konfliktreiche Geschichte Südafrikas eingehen, sondern als Visionär, der die Zeichen der Zeit erkennt.

Dennoch birgt der angekündigte Wertewandel im ANC auch Gefahren. Von „Revolution“ und „Konterrevolution“ zu sprechen, von „progressiven Kräften“ und „revolutionärer Allianz“, von „Verschwörung“ und feindlichen „Elementen“ ist erfahrungsgemäß demokratiefeindlich. Die Appelle zur Vereinigung der schwarzen Politik gegen die privilegiefixierten Parteien der Weißen erinnert an die Rhetorik abgehalfterter afrikanischer Diktatoren, die zum Übertönen des eigenen Versagens die nationale Einheit verkünden und ihren Ruf durch die Definition möglichst unsympathischer Feindbilder bewahren wollen.

Wenn Mandelas Blick nach vorn im Zorn auch den Blick seiner Nachfolger bestimmt, kann sich Südafrika auf eine Zeit der Demagogie gefaßt machen. Vielleicht entspricht das der Härte einiger notwendiger Veränderungen. Aber ein wenig dessen, was bisher die Einzigartigkeit des südafrikanischen Kampfes ausmachte und ihm weltweite Sympathie einbrachte, bleibt dabei auf der Strecke. Dominic Johnson

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