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■ Südafrika hat seine erste demokratische VerfassungHistorischer Kompromiß

Eines kann man den südafrikanischen Politikern nicht vorwerfen: daß sie die Kunst der politischen Inszenierung nicht meisterhaft beherrschten. Nur wenige Stunden, ehe der Termin für die Verabschiedung von Südafrikas neuer Verfassung anberaumt war, einigten sich die Chefunterhändler von Nationaler Partei und Afrikanischem Nationalkongreß doch noch auf einen Kompromiß. Die Aussperrung steht jetzt nicht in der Verfassung, im Sprachenstreit wurde eine salomonische Formulierung gefunden, die sowohl das Recht auf ein- wie auf mehrsprachigen Unterricht sichert. Und in der umstrittenen Eigentumsklausel wird das Recht auf Eigentum gesichert, „willkürliche Enteignungen“ soll es nicht geben.

Bleibt die Frage: Wozu das Ganze? Alle drei Punkte im Grundrechte-Katalog haben in einer Verfassung nicht unbedingt etwas verloren. Doch es ging um etwas ganz anderes: ums Kräftemessen von zwei ungleichen Partnern und für die Nationale Partei um das Hinüberretten von Überbleibseln aus der Apartheidzeit. Sie war in der schwächeren Position und mußte das zähneknirschend anerkennen. So sind die Machtverhältnisse im neuen Südafrika, demokratisch eben. Der ANC konnte es sich leisten, hart zu bleiben, denn ein Referendum hätte er mühelos gewonnen. Zum Schluß bewegte er sich aber auch noch.

Nun hat Südafrika die erste demokratische Verfassung in seiner 350jährigen Geschichte – gestützt auf eine breite Mehrheit. Jenseits aller Fensterreden der Politiker ist das schon bemerkenswert genug. Es ist eine Verfassung, der bis in kleinste Formulierungen der historische Kompromiß anzumerken ist, die ein Ausdruck der Transformationszeit ist. Aber auch eine Verfassung, die das Attribut „demokratisch“ verdient, nicht nur wegen ihrer Genese. Was die Südafrikaner an Grund- und Menschenrechten festgeschrieben haben, ist vorbildhaft und geht weit über das deutsche Grundgesetz hinaus.

Die Nagelprobe für Südafrikas Verfassung allerdings steht erst in ein paar Jahren bevor: Nach 1999, wenn der ANC – voraussichtlich mit einer Zweidrittelmehrheit – allein regieren wird. Die ehemalige Befreiungsbewegung im Nachbarland Simbabwe hat vorgemacht, was man mit der nötigen Mehrheit aus einer vorbildhaften Verfassung machen kann. Man ändert sie solange, bis ein „demokratisch legitimierter“ Einparteienstaat dabei herauskommt. Kordula Doerfler, Kapstadt

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