Suchtverhalten junger Deutscher: Clean nur bis 18

Jugendliche suchen seltener den Drogenrausch als früher. Junge Erwachsene konsumieren dagegen munter weiter. Das zeigt die Drogenprävalenzstudie der BZgA.

Vom Trendgetränk zum Ladenhüter: Die Alcopop-Zielgruppe trocknet aus. Bild: dapd

BERLIN taz | Ein Leben im Rausch? Für viele Jugendliche scheint das keine Faszination mehr zu sein. Der diesjährigen Drogenprävalenzstudie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zufolge konsumieren sie heute weitaus weniger Tabak, Alkohol und Cannabis als vor zehn Jahren. Die Studie, für die über 5.000 junge Menschen zwischen 12 und 25 Jahren befragt wurden, zeigt aber auch: Bei Volljährigen ist der Drogenkonsum ungebrochen.

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Mechthild Dyckmans (FDP), präsentierte die Ergebnisse am Freitag in Berlin dennoch als Erfolg: "Sie zeigen, dass die bisherige Präventionsstrategie der Bundesregierung wirkt."

Bis auf die Raucherzahlen, die in allen Altersgruppen abnahmen, bestätigt die Statistik das nur für die Jugendlichen: Während der wöchentliche Alkoholkonsum bei den befragten Minderjährigen zwischen 2001 und 2011 um 3,7 Prozentpunkte auf 14,2 Prozent zurückging, blieb die Quote bei den Volljährigen konstant bei 39,8 Prozent.

Besonders bedenklich ist, dass im Zehnjahresvergleich auch das Rauschtrinken, also der Verzehr von mindestens fünf alkoholischen Getränken an einem Abend, bei den jungen Erwachsenen unverändert blieb. Gegenüber 2009 nahm der exzessive Alkoholkonsum sogar wieder um 4 Prozent zu. Beim Kiffen zeigt sich ein ähnliches Bild, während sich die Quote bei den Minderjährigen halbierte.

Nicht alle kennen ihr Limit

Bisher scheinen die großen Kampagnen der BZgA wie die Antialkoholoffensive "Kenn dein Limit" also wenn überhaupt nur bei Jugendlichen zu wirken. "Die Konzentration auf junge Leute ist aber richtig", sagte Dyckmans. "Wer in jungen Jahren gelernt hat, verantwortungsvoll mit Drogen umzugehen, bleibt auch später eher enthaltsam."

Sie verwies auf die Kampagne "Rauchfrei". Dyckmans und die BZgA gehen davon aus, dass die auf Jugendliche ausgerichtete Initiative seit ihrem Start 2003 gut ankommt und somit langfristig auch zum Rückgang der Raucherzahlen unter den Volljährigen geführt hat. Diese Effekte erwarte man auch bei den anderen Suchtmitteln, für die Präventionsstrategien erst später starteten.

In den kommenden Jahren wolle man sich jedoch auch mehr darum bemühen, die jungen Erwachsenen zu erreichen. Etwa mit Programmen wie Prev@work, einem 2011 gestarteten Präventionsprogramm im Ausbildungsbereich. "Außerdem werden wir stärker in den Party- und Studierendenbereich gehen und dabei weiter auf gleichaltrige Botschafter, die so genannten Peers setzen", sagte Dyckmans. Konkrete Strategien nannte sie nicht. Elisabeth Pott, Direktorin der BZgA, warf ein, dass dafür zusätzliche Mittel nötig seien. Eine Verdopplung der Bundesmittel von jährlich 8 Millionen Euro sei angebracht, so Pott zur taz.

Experten und Oppositionspolitiker halten die bisherige Präventionspolitik, in die zusätzlich zu den Haushaltsmitteln auch weitere 11 Millionen Euro von den Privaten Krankenkassen fließen, dagegen für weitestgehend zahnlos. Harald Terpe, Sprecher für Drogen- und Suchtpolitik der Grünen im Bundestag, fragt sich, ob die "von Dyckmans öffentlichkeitswirksam vermarkteten Plakatkampagen irgendeinen Einfluss auf die Konsumgewohnheiten Jugendlicher haben." Er fordert stattdessen einen Aktionsplan Drogen und Sucht.

Auch Hans-Jürgen Rumpf, Suchtforscher an der Universität Lübeck, bezweifelt die Wirksamkeit der Kampagnen. "Die Effekte bei den Raucherzahlen sind eher auf höhere Preise und Rauchverbote zurückzuführen", sagte Rumpf der taz. Dauerhafte Veränderungen beim Konsumverhalten der jungen Menschen seien also nur erreichbar, wenn man die Verfügbarkeit von Drogen einschränke. Doch davon sei man in Deutschland vor allem beim Alkohol noch meilenweit entfernt.

Überdurchschnittliche Internetsucht

Mittlerweile ebenfalls überall und günstig verfügbar ist das Internet. Ob auf dem Campus, im Café oder per Smartphone in der Bahn, vor allem junge Leute sind dauerhaft online. Bei etwa 560.000 Menschen, 1 Prozent der deutschen Bevölkerung, hat sich das zu einer regelrechten Abhängigkeit entwickelt, wie Rumpf 2011 in der ersten repräsentativen Studie zum Thema Internetsucht herausfand.

Bei Jugendlichen ist die Quote mit 4 Prozent wesentlich höher. "Man muss aufmerksam beobachten, ob sich hier ein neuer Typ von Suchtstörung herauskristallisiert", sagte Rumpf. Es sei sicher sinnvoll, das Online-Nutzungsverhalten junger Menschen langfristig in die Drogenprävalenzstudie des BZgA einfließen zu lassen. Doch darauf sind die Verantwortlichen noch nicht vorbereitet: Die Methodologie sei noch nicht ausgereift genug, sagte BZgA-Direktorin Pott.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.