Suchmaschinen und Chinas Zensur: Benimmregeln für Google & Co.
Die Internetriesen Yahoo, Microsoft und Google reagieren auf die Zensur Chinas bislang mit vorauseilendem Gehorsam. Das soll sich ändern - mit einem "Code of Conduct".
Kurz vor dem Start der Olympiade in Peking herrscht Hochkonjunktur bei den Nachrichten über China. Die jüngste Sammlung guter Worte stammt von den Online-Giganten Google, Microsoft und Yahoo. Zusammen mit der Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" haben sie sich nun auf einen "Code of Conduct" geeinigt, der klarstellen soll, wie sich die Internet-Riesen in Ländern mit restriktiver Netzpolitik verhalten sollen.
Gemeint ist damit insbesondere China, wo Experten zufolge 30.000 Netz-Polizisten und eine mehr oder weniger technisch ausgefeilte "Große Firewall" dafür sorgen, dass online möglichst wenig Staatskritisches geäußert werden kann. Wer das doch tut, landet nicht selten im Gefängnis - zum Teil durch die Weitergabe der Daten von Suchmaschinenbetreibern. Auch Yahoo stand diesbezüglich unter scharfer Kritik.
Was genau im neuen China-Verhaltenskodex stehen wird, ist offiziell noch geheim. Der US-Senator Dick Durbin, der sich als Demokrat stets mit harten Worten gegen die Unterstützung des chinesischen Regimes durch Internet-Anbieter äußerte, legte nun aber Details aus mehreren Briefen offen. Dort bescheinigen die Unternehmen unabhängig voneinander, man wolle gemeinsam Meinungsfreiheit und Privatsphäre weltweit im Netz vorantreiben und hierzu auch Umsetzungsrichtlinien und Methoden entwickeln, mit denen diese Werte eingefordert werden könnten.
Die Details würden derzeit festgeklopft. Laut Google plant man "klare und rigorose Prinzipien", die selbst Zensurstaaten "nicht mehr ignorieren und zurückweisen" könnten. Durbin gab sich zunächst erfreut über die Pläne: "Das wäre ein wichtiger Schritt hin zu unserem gemeinsamen Ziel."
Neben Google, Microsoft, Yahoo und Human Rights Watch sind auch noch weitere Menschenrechtsorganisationen und Datenschützer am Aufbau des Verhaltenskodex beteiligt. Europäische Konzerne wie France Telecom und Vodafone wollen ebenfalls mitziehen. Wirklich schnell laufen die Verhandlungen allerdings nicht: Erste Ideen zu einer gemeinsamen Chinapolitik wurden bereits im Januar 2007 aufgestellt.
Dass das so lange dauert, hängt auch mit der Schwierigkeit zusammen, wirtschaftliche Interessen mit Menschenrechten unter einen Hut zu bringen. China ist ein riesiger Markt, den sich die Konzerne erhalten wollen. Bislang agieren Google, Microsoft und Yahoo als Selbstzensoren in dem Land.
Eine unabhängige Studie des "Citizen Lab" an der Universität von Toronto fand erst im Frühjahr heraus, dass die drei westlichen Internet-Riesen zwar ein insgesamt größeres Angebot an Inhalten als chinesische Suchmaschinen bereitstellen und damit auch weniger Daten unterdrücken.
Doch wenn sie zensierten, zensierten sie teilweise mehr, als sie tatsächlich müssten. Das liegt daran, dass die von der chinesischen Regierung vorgegebenen Regeln keineswegs besonders stringent sind - sie bieten den Konzernen Auslegungsfreiheit, was aufgrund von Unsicherheiten laut "Citizen Lab" dazu führt, dass mehr Informationen unterdrückt werden.
Bei Google ist man dabei sogar stolz auf das, was man mit dem chinaspezifischen Portal Google.cn erreicht hat, das aufgebaut wurde, nachdem der Standard-Google-Dienst regelmäßig blockiert wurde: "Wir hatten eine klare Wahl: Entweder würden wir eine neue öffentliche Bücherei eröffnen, in der die Menschen 98 Prozent der Bücher in den Regalen nutzen konnten - oder wir hätten eben überhaupt keine Bücherei aufgebaut und niemand bekäme einen Bibliotheksausweis", meinte dazu Robert Boorstin, Kommunikationsdirektor Internet-Politik bei Google, gegenüber dem Fachmagazin Technology Review.
Nart Villeneuve, Forscher am Citizen Lab, ist vor allem sauer darüber, dass kaum etwas über die tatsächliche Zensurpolitik der Konzerne nach außen dringt: "Das größere Problem ist, dass wir eben einfach nicht wissen, was sie dort genau tun. Die Suchmaschinen waren bislang öffentlich nicht bereit, sich dazu zu äußern." Klar sei nur, dass die geringen Überschneidungen bei der Zensur, die seine Untersuchungen belegt hätten, bedeuteten, das die Firmen selbst auswählten, was sie wie unterdrückten.
Vielleicht verrät ja der neue Verhaltenscodex bald mehr. Er soll in den nächsten Monaten in einer ersten Fassung veröffentlicht werden.
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