Suche nach "Spiegel"-Chef: Redaktion verteidigt Haifischbecken

Die Mitarbeiter KG entscheidet, dass ein Fernsehmoderator künftig über den "Spiegel"-Titel bestimmt.

Bezug für 2010 geplant: Simulation des geplanten Neubaus der "Spiegel"-Gruppe Bild: dpa

Gruner + Jahr hatte offenbar geahnt, dass es bei einer noch längeren Personalsuche für die Spiegel-Spitze bald geknallt hätte. Jetzt hat sich die Mitarbeiter KG des Blattes durchgesetzt. Und selbst die mit der Personalie Claus Kleber nicht überglückliche Fraktion um Stefan Aust kann in einem Punkt aufatmen: Der Konflikt um die Frage, ob der Spiegel in Zukunft eher ein redaktionell orientiertes oder stärker der Verlagsseite - und damit de facto Gruner + Jahr (G+J) - untergeordnetes Unternehmen wird, ist zumindest vorerst ausgestanden. Gewonnen hat - die Redaktion.

Denn Spiegel-Geschäftsführer Mario Frank war zwar von ebenjener Mitarbeiter KG als vermeintlich unabhängiger Verlagsmanager ins Haus geholt worden. Doch der promovierte Jurist hatte schon vorher im G+J-Imperium gedient. Zügig nach seinem Amtsantritt im Januar dieses Jahres wurde klar, dass er nach wie vor in diese Richtung tickt. Frank wollte für den Spiegel die freiwerdende Hälfte an der Financial Times Deutschland (FTD) erwerben. Das Wirtschaftsblatt schreibt zwar Verluste, doch der Deal hätte G+J sehr glücklich gemacht: Denn dem Verlag gehört bereits die andere FTD-Hälfte.

Stefan Aust dagegen stand - bei allen umstrittenen Nebenjobs für die ARD und andere - stets für einen redaktionsbestimmten Spiegel. Seine populär-populistischen Titel rund um Gesundheit, Service und Second Life wilderten in den Augen von G+J zudem klar im ureigensten Bereich des wie alle Magazine unter immensem Auflagendruck stehenden G+J-Flaggschiffs Stern.

Der Verlag hatte zunächst die nach dem Aust-Rauswurf eher dilettantisch agierende Mitarbeiter KG auszutricksen versucht: Namen möglicher Nachfolgekandidaten wurden lanciert - und galten schon allein dadurch als verbrannt oder nicht ganz ernst gemeint. Man wollte auf Zeit spielen, um die Mitarbeitervertreter in Zugzwang zu bringen.

Spätestens seit der letzten Woche wuchs - nicht zuletzt durch die Kommentare von Augstein-Sohn Jakob - der Druck, eine rasche Lösung herbeizuführen. Doch auch die plötzliche Kür des ZDF-Mannes ist für den Spiegel alles andere als risikolos: Der Fernsehmensch Kleber ist zwar erfolgreicher Moderator und erfolgreicher Redaktionsleiter beim ZDF, hat aber keinerlei Erfahrung im Magazin-Markt.

"Gewöhnungsbedürftig" nannte ein Verlags-Insider die Wahl. "Ob das eine Qualifikation für den Spiegel ist, muss sich zeigen", sagt der Medienexperte Lutz Hachmeister, der die Geschichte des Nachrichtenmagazins kritisch durchleuchtet hat. Viel wird davon abhängen, ob Kleber genügend Zeit bekommt, sich in seiner neuen Welt zurechtzufinden, in der Titelseiten statt lässig-verständlicher Moderationen zählen. "Das Umfeld ist nicht gerade angenehm", so Hachmeister über das journalistische Haifischbecken an der Brandstwiete. Derlei komplex-intrigante Zusammenhänge kennt Kleber allerdings zur Genüge - schließlich kommt er vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

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