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Subventioniertes WohnenStudenten, ab in die Platte

Nach Veddel und Wilhelmsburg fördert die Stadt nun in Mümmelmannsberg günstigen Wohnraum für Studierende. Kritiker wittern Gentrifizierung.

Bald voll mit Studierenden? Hochhaus in Mümmelmannsberg. Bild: dpa

Das, was sich die Stadt da für Mümmelmannsberg ausgedacht hat, klingt fast nach einer klassischen Win-win-Situation. In der Großwohnsiedlung aus den 1970er Jahren will die Hamburger Wohnungsbaukreditanstalt (WK) mit einem Förderprogramm für Studierende und Auszubildende „stadtteilentwicklungspolitische Ziele“ voran bringen und gleichzeitig den vorhandenen Bedarf an Wohnraum befriedigen.

Mit anderen Worten sollen Studenten und Auszubildende in Mümmelmannsberg und Billstedt vergünstigt wohnen können, um die dortige Bevölkerung mit hohem Migrations und Arbeitslosenanteil etwas aufzumischen. Damit so die Entwicklung des Viertels „zu einem nachgefragten und interessanten Wohnquartier befördert“ wird.

Anfang des Jahres hat der Senat das Förderprogramm, mit dem Studierenden das Wohnen in ausgewählten Stadtteilen bezuschusst wird, auf Mümmelmannsberg-Billstedt ausgeweitet. Seit Beginn des Förderprogramms zahlte die Stadt 2,3 Millionen Euro, um jährlich im Schnitt 430 Studierende nach Veddel, Wilhelmsburg, Rothenburgsort oder Harburg zu locken.

2004 hatte der damalige CDU-Senat das Studierenden-Programm auf der Veddel aufgelegt. Dort können bis heute rund 300 Studenten bei städtischen Wohnungsgesellschaft Saga-GWG mindestens zehn Quadratmeter große Zimmer für 198 Euro warm mieten. In den anderen Gebieten kosten die Zimmer 224 Euro warm. Das Geld bekommen Studierende und Auszubildende, die neu in das Gebiet ziehen. Wenn der Vermieter bereit ist, die Förderung zu beantragen, zahlt die Stadt die Differenz.

Die Stadt wertet die Maßnahme als Erfolg und weitete die Förderung aus: Im Frühjahr 2006 auf das Wilhelmsburger Reiherstiegviertel, seit Herbst vergangenen Jahres auf den „Hamburger Süden“, Rothenburgsort und das Harburger Phoenix-Viertel.

Studentisches Wohnen

Seit Beginn der "Förderung studentischen Wohnens" 2004 auf der Veddel zahlte die Stadt insgesamt 2,3 Millionen Euro aus.

430 Studierende und Auszubildende wurden im Schnitt jährlich unterstützt.

Die Fördergebiete: Seit 2004 bis Mitte 2014 auf der Veddel, seit 2006 bis Ende 2015 das Wilhelmsburger Reiherstieg-Viertel, seit 2012 bis Ende August 2017 der "Hamburger Süden" und seit 2013 bis Ende 2017 Mümmelmannsberg-Billstedt.

198 Euro warm kostet die Miete für mindestens zehn Quadratmeter heute auf der Veddel und im Reiherstieg-Viertel, in den anderen Gebieten 224 Euro.

Dass es seit Januar auch für Mümmelmannsberg gilt, ist offenbar noch ein Geheimtipp. Bislang wurde das Angebot von niemandem in Anspruch genommen, teilt die Stadtentwicklungsbehörde mit. Deren Sprecherin Kerstin Graupner hält das aber mit Blick auf die kurze Laufzeit für nicht besonders aussagekräftig. „Richtig interessant wird die Nachfrage für das Herbstsemester“, sagt sie.

Der Hamburger Wohnungsmarkt wird von Studentenseite als „katastrophal“ bewertet. „Und die Situation in Hamburg spitzt sich weiter zu“, sagt Maarten Thiele, Sozialreferent des Astas der Universität. Studierende zahlen für ihre Zimmer heute in der Regel 450 Euro und Wohngemeinschaften sind bei vielen Vermietern unerwünscht. Um das Problem der steigenden Mieten in der Stadt wieder in den Griff zu bekommen, fordert der Asta-Sprecher eine Mietobergrenze, die „deutlich unter dem Mietenspiegel liegt“.

Das Förderprogramm für Studierende sieht Thiele kritisch, weil davon nur Studierende profitieren, es sich nur auf bestimmte Stadtteile bezieht und Studenten dadurch als Gentrifizierer missbraucht werden.

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5 Kommentare

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  • Z
    Zackpengpau

    Gentrifizierungs-Gengenteil?: Wie das Gegenwort heißt, weiß ich nicht, aber natürlich, es kann auch Vorteile bringen. Für viele sozial Schwachen Menschen bieten diese Orte aber noch halbwegs gut angebundene Rückzugsorte. Je mehr Menschen in die Stadt ziehen, desto mehr müssen irgendwann raus. Und da fährt die Kinder keine U-Bahn mehr zur Schule, sondern da ist dann nichts. Aber soweit wird's in Hamburg glücklicherweise wohl nicht kommen.

     

    Aber der letzte Satz über Studenten und die damit reingebrachte Bildung: Wohl kaum. Studenten sind eine solch abgeschottete Gruppe, die unter sich bleibt, sodaß die "Einheimischen" mit denen gar nichts zu tun haben werden. Erst recht keine Vermittlung von Bildung. Jeder türkischstämmige Arbeiter ist besser in der Gesellschaft integriert als der Durchschnittsstudent. Und auch jeder reiche Schnösel hat für gewöhnlich mehr Kontakt mit anderen Menschen als ein Student, der nur mit Studenten tagein und tagaus verkehrt.

  • PP
    Pille Palle

    Ihr habt doch den Schuss nicht gehört. Die Gentri-Diskussion gerät nun völlig aus dem Ruder. Aufwertung und Verdrängung in Mümmelmannsberg -Hallo?? wer von den Sabblern war da eigentlich schon mal? Die Krönung ist folgender Satz "Dass es seit Januar auch für Mümmelmannsberg gilt, ist offenbar noch ein Geheimtipp." M.Berg ein Geheimtip? Normalerweise hieß es bisher "Da möchte ich nicht tot über dem Zaun hängen..." Der Astra-Pott in der Kandiskyallee wird jetzt zum Szene-Laden gepimpt, oder was?

  • G
    Gentrifizierungs-Gengenteil?

    Was ist das soziologendeutsche Gegenteil der Gentrifizierung? Denn genau das fand früher in Mümmelmannsberg und an anderen Gebieten, die nun "aufgewertet" werden, statt: bestimmte soziale Schichten verdrängten andere, die Kriminalität stieg und die mieten sanken. Das hat natürlich auch der Staat mit seiner Planung zum sozialen Wohnungsbau ganz hervorragend befeuert. Nun will man ein bisschen gegensteuern und das Geschrei geht los.

     

    Dabei fordert man doch sonst stets, Bildung in die Stadtviertel der Chancenlosen. Was gibt es da Besseres als Studenten?

  • R
    Rumsel

    Gentrifizierung hat nichts mit der Bausubstanz zu tun. In Barmbek (besonders -Süd) findet schon in den Klinkerbauten ein Bevölkerungsaustausch statt. In Hamm führt man es derzeit fort, genau wie auf der Veddel und in Wilhelmsburg. Zentrumsnah wäre geographisch wohl nur die Veddel. Wasser kann man in der Schanze, dem Paradebeispiel, auch lange suchen. Da hat Mümmelmannsborger mit der Boberger Niederung schon mehr zu bieten.

     

    Aber das ist eh der völlig falsche Ansatz. Gentrifizierung ist ein Prozeß, in dem "unbeliebte" Wohnviertel aufgewertet werden, beispielsweise durch Künstler und Studenten, die dort günstig wohnen. Dadurch genießt das Viertel irgendeinen einen kreativen, hippen Ruf und zieht freiwillig einige Leute an, die sich auch in diesen Milieus umhertreiben möchten -- zudem bleibt der eine oder andere Absolvent nach dem Studium auch dort und hat eine entsprechende Zahlungskraft. Das ist nur ein Prozeß, der gerne zehn, 15 Jahre dauern kann.

     

    Es ist auch zu bezweifeln, daß man aus Mümmel eine zweite Schanze machen kann, also Neuvermietungen mit gerne 16, 18 Euro pro Quadratmeter. Dafür liegt es wohl tatsächlich zu sehr am Stadtrand. Nichtsdestotrotz kann man die Durchschnittsmiete dort eventuell um zwei, drei Euro pro Quadratmeter ankurbeln, was schon einmal zu einer Verdrängung zahlreicher Menschen führen kann. Und auch in Mümmelmannsberg gibt es Erdgeschosse, die nicht mit Wohnungen verwechselt werden sollen. Passiert in der Schanze auch nicht.

  • H
    Hasenhügel

    Sorry, aber irgendwann wird's lächerlich. Mümmelmannsberg gentrifiziert?

     

    Gentrifizierung erfolgte bisher stets in Vierteln, die Altbauten, Wasser und / oder Zentrumsnähe haben. Klingt das etwa wie Mümmelmannsberg? Wie sollte das aufgewertet werden? Durch plötzlich aus dem Boden schießende Szenekneipen im achtzehnten Stock? Open-Air-Bars an der Grenze zu Oststeinbek?