Studiengebühren in Baden-Württemberg: Der Kampf geht weiter
Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg gibt dem Land Recht und lehnt die Klagen von StudentInnen gegen Studiengebühren ab. Doch die wollen weiterhin klagen.
STUTTGART taz Bei Anwalt Michael Kleine-Cosack hält sich die Enttäuschung in Grenzen: "Die Entscheidung ist alles andere als überraschend. Bisher hat jedes Verwaltungsgericht Klagen gegen Studiengebühren abgelehnt", sagte er nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts in Mannheim am Montag zur taz. Der Anwalt vertrat ehrenamtlich eine alleinerziehende Studentin gegen die Pädagogische Hochschule in Freiburg sowie drei Studenten gegen die Uni Karlsruhe. Sie wendeten sich gegen die Gebühren von 500 Euro, die in Baden-Württemberg seit 2007 gezahlt werden müssen. Bereits in der Vorinstanz war die Klage erfolglos.
Damit dürfen Universitäten in Baden-Württemberg weiterhin Studiengebühren erheben. Der Weg zur nächsten Instanz steht allerdings offen, Kleine-Cosack will eine Grundsatzentscheidung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Als letzte Instanz bleibt noch der Weg vor das Bundesverfassungsgericht (BVG). "Na klar gehen wir in Berufung", sagt auch Albrecht Vorster, einer von drei Vorsitzenden des Asta der Uni Freiburg. Dort hatte ein Arbeitskreis eine Sammelklage von 2 500 Studenten organisiert und die jetzt abgelehnten Musterklagen vorbereitet.
"Momentan geht es darum, politischen Druck aufzubauen", sagt Anwalt Kleine-Cosack. Über diesen Weg hätten bereits jetzt die Klagen zu Erfolgen geführt. So müssen ab dem nächsten Sommersemester in Baden-Württemberg Studierende mit zwei oder mehr Geschwistern keine Gebühren mehr zahlen. Das Land Baden-Württemberg bietet über die eigene L-Bank vorerst bis Ende des Jahres Studiendarlehen mit einem jetzt gedeckelten Zinssatz von maximal 5,5 Prozent an. Außerdem müssen Alleinerziehende, die Kinder bis 14 Jahren haben, keine Gebühren mehr zahlen - bisher lag die Grenze bei acht Jahren.
Durch die Neuregelungen könnten bis zu einem Drittel der Studiengebühren im Land wegfallen, sagt Kleine-Cosack. Bedenke man, dass auch Hessen die Gebühren wieder erlassen habe, gebe es in Deutschland einen eindeutigen Trend gegen das Bezahlstudium. Die Kläger argumentieren mit Paragraf 12 des Grundgesetzes, der die Freiheit der Berufswahl sichert. Die Gebühren aber schreckten vor allem junge Menschen aus sozial schwachen Familien ab. Dagegen verweisen die Mannheimer Richter auf die Möglichkeit eines Studiendarlehens. "Das Recht des Einzelnen, zum Hochschulstudium seiner Wahl zugelassen zu werden, beinhalte nicht den Anspruch, kostenfrei studieren zu dürfen", heißt es weiter vom zuständigen zweiten Senat des Gerichtes. Des Weiteren, so die Kläger, sei der von Deutschland ratifizierte Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1973 verletzt, nach dem Bildung hierzulande kostenlos sein soll. Das Gericht hat auch keine Benachteiligung wegen des Wehrdienstes von Studenten erkannt: Sie klagten, weil sie erst ein Jahr später als Studentinnen ein Studium aufnehmen konnten, das bis dahin gebührenpflichtig wurde.
Knackpunkt weiterer Klagen wird der Streit darum sein, ob Studiengebühren tatsächlich Kinder ärmerer Familien vom Studium abhalten. Bereits vergangenen Herbst deutete eine Studie darauf hin. "Wir warten momentan alle auf die nächste Sozialstudie des Deutschen Studentenwerkes", sagt Vorster. Die wird 2010 erhoben und könnte neue Argumente für eine Klage vor dem BVG liefern.
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