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StudieArme urbane Penner

Die digitale Boheme ist der "Humus der Kulturwirtschaft", sagt eine aktuelle Studie. Aber ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten wachsen.

Tristesse Royal: Trübe Aussichten für die selbsternannte digitale Boheme. Bild: dpa

Spätestens seit die Rede von der "Digitalen Boheme" wie ein Heilsversprechen über Deutschland gekommen ist, sind Kultur produzierende Mikrounternehmen zum Partygesprächsthema geworden. Das ist insofern erstaunlich, als ökonomische Realitäten im Allgemeinen desto unsexyer erscheinen, je weniger Geld die Leute zur Verfügung haben. Man redet also beispielsweise gern und viel vom Modedesigner Hedi Slimane - ohne den kein Feuilletonartikel mehr auskommt - und muss dann aber doch bei H & M einkaufen.

Die Karriere der "digitalen Boheme" aber allein mit dem Bedürfnis zu erklären, sich die eigene Lage schönreden zu wollen, griffe allerdings zu kurz. Denn dem Begriff liegt ja unter anderem die schon etwas ältere Überlegung zugrunde, irgendwann ließen sich aus stetig aufgehäuftem kulturellem Kapital auch reale Werte schöpfen. Für die Erfinder solcher Bezeichnungen, die selbst ja die besten Beispiele für die Schaffung solchen Kapitals sind, trifft das oft auch zu. Das gilt vor allem dann, wenn es auch die ganz reale Ware zum Begriff gibt, etwa die Filmdoku, das Buch oder das Consultingpaket.

Die "digitale Boheme", der ja, nebenbei bemerkt, die vielleicht ehrlichere, aber nicht so schöne Bezeichnung "urbane Penner" vorausging, hat aber immerhin jenen Mikroproduzenten ein Gesicht gegeben, die sonst nur als irgendwie naturwüchsiger Standortfaktor vorkommen: "Arm, aber sexy" ist für Berlins Regierenden Bürgermeister ja nur die Stadt, aber nicht die Leute, die hinter ihren inzwischen sprichwörtlichen Schaufenstern am Mac sitzen. Der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Grüne gebührt wiederum das Verdienst, überhaupt einmal die Frage zu stellen, wie es denn den Mikrounternehmen eigentlich wirklich geht, ökonomisch, nicht bloß gefühlt.

Die vor kurzem veröffentlichte Studie zur Kulturwirtschaft und den Creative Industries will "aktuelle Trends unter besonderer Berücksichtigung der Mikrounternehmen" aufzeigen, blickt also insbesondere auf die ökonomische Lage jener Einzelunternehmen, die den "Humus" der Kulturwirtschaft bilden. Dem Modell nach sind es nämlich unsere produzierenden Bohemiens, deren Unternehmen zuvörderst aus dem kulturellen Kapital und der Kreativität der eigenen Person bestehen, die den Boden für neue Ideen und Produkte bereiten. Geerntet wird allerdings meist anderswo, doch dazu später. Den sogenannten KMUs, den kleinen und mittelständischen Unternehmen, wird nämlich zumindest seitens des Kulturministerrats der EU die eigentliche Schlüsselrolle in der Branche zuerkannt. Die KMUs stellten die treibende Kraft "in Bezug auf Wachstum, Beschäftigung und Innovation" dar.

Denn das Heer der Mikrounternehmer macht rund drei Viertel der Gesamtbranche aus, die im Jahr 2006 ein Umsatzvolumen von 126 Milliarden Euro erwirtschaftet hat. Mehr als 150.000 Mikrounternehmen sind im Bereich der sogenannten Creative Industries tätig. Zu diesen werden jetzt nicht mehr nur Künstler, Architekten, Labels, Galerien, Designstudios, Verlage oder Journalisten gezählt, sondern auch die Werbeindustrie, Softwarehersteller und Gameproduzenten. Interessanterweise ist mit dem neuen Modell der Creative Industries gewissermaßen die juristische Form von kulturellem Kapital zur zentralen Kategorie geworden. Denn der entscheidende Schlüssel für das Verständnis der Creative Industries sei die Copyright-Basis aller hier produzierten Waren, heißt es in der Studie.

Man darf allerdings vermuten, dass die Leute mit den guten Ideen und die Copyright-Inhaber oft genug nicht identisch sind. Dafür spricht, dass das durchschnittliche Umsatzvolumen der großen Contentverkäufer zwischen 2001 und 2005 von 1,8 auf über 2,2 Millionen Euro wuchs, während bei den kleinen der Umsatz von knapp 130.000 auf weniger als 115.000 Euro je Mikrounternehmen sank. Während die Zahl der Mikrounternehmen stetig zunimmt, wachsen demnach zugleich ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die Wahrheit ist also nicht sexy, und sie klingt auch nicht gut: Unsere Boheme wird immer ärmer.

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