Studie zu Weblogs: Willkommen im Mainstream!
Eine Studie der Blog-Suchmaschine Technorati untersucht, wie es um die Netztagebücher bestellt ist. Das Ergebnis: Die Kommunikationsform ist aus dem Internet nicht mehr wegzudenken.
Weblogs mussten in ihrer kurzen Geschichte schon einiges einstecken: Erst als spannendste Kommunikationsform des neuen Jahrhunderts und einflussreiches neues Medium hochgejubelt, wurden die chronologisch angeordneten Netztagebücher nur wenig später wieder als irrelevant totgeschrieben oder als Hort fehlerhafter Informationen und publizistischer Hysterie tituliert. Die Wahrheit, so besagt es zumindest eine neue Studie der Blog-Suchmaschine Technorati über den "Stand der Blogosphäre 2008", liegt allerdings ganz woanders: Die Technologie zum schnellen und einfachen Publizieren im Internet sei "mitten im Mainstream angekommen".
Das ergibt sich schon allein daraus, wie viele Weblogs inzwischen existieren und welche Nutzerzahlen sie haben. Technorati selbst hat 133 Millionen in seinem Suchmaschinen-Index, wovon 7,4 Millionen in den letzten 120 Tagen mit neuen Einträgen aktiv waren. ComScore MediaMetrix, ein Web-Statistik-Unternehmen, stellte im August 2008 fest, dass insgesamt 77,7 Millionen US-Bürger Weblogs besuchten. Zum Vergleich: Beim populären sozialen Netzwerk Facebook schauten 41 Millionen vorbei, bei MySpace 75 Millionen. "Damit sind Weblogs Teil unseres täglichen Lebens", heißt es in der Technorati-Studie.
An einem durchschnittlichen Tag werden laut der Weblog-Suchmaschine 900.000 neue Blog-Einträge verfasst, das entspricht 10,4 neuen Postings pro Sekunde. Vier von fünf Bloggern betreiben ihre Website aus persönlichen Gründen und zu Themen, die sie selbst interessieren. Dennoch wächst die Anzahl derer, die Geld mit ihrem Weblog verdienen. 12 Prozent der von Technorati untersuchten 1000 ausgewählten Blogger aus 60 Ländern stellen Inhalte im Auftrag ihres Arbeitgebers ins Netz. Negativen Einfluss auf das persönliche Leben scheint das Bloggen hingegen kaum zu haben: Nur einer von 10 Befragten gab an, mit einem Internet-Text Schwierigkeiten bekommen zu haben. Das widerspricht in Deutschland bekannten Problemen wie Abmahnwellen gegen Blogs oder Gefahren für die Privatsphäre, die ein allzu offener Weblog-Auftritt mit sich bringen kann. Auch mit Online-Zensur scheinen die von Technorati befragten wenig Probleme zu haben.
Blogs sind laut der Studie keine Männersache. 43 Prozent der Netztagebücher würden in den USA von Frauen verfasst. Interessant ist der Altersschnitt: 42 Prozent der Blogger sind zwischen 18 und 34 Jahre alt, 58 Prozent hingegen über 35. Das deckt sich mit Einschätzungen einiger Internet-Sozialwissenschaftler, die glauben, dass der Online-Nachwuchs zunehmend in schnellere Kommunikationsmedien wechselt - dazu gehören Kurznachrichtendienste wie Twitter oder aber die Nachrichtendienste der sozialen Netzwerke. Selbst E-Mail gilt demnach nicht mehr als en vogue. Die älteren Blogger verfügen dafür über ein ordentliches Einkommen: Laut Technorati lagen die Haushaltsjahreseinnahmen von 51 Prozent der untersuchten US-Netztagebuchschreiber bei mehr als 75.000 Dollar. 74 Prozent der Befragten verfügten außerdem über einen College-Abschluss, die Mehrheit war verheiratet und hatte einen Vollzeitjob neben dem Bloggen.
Die Frage, ob ein Blog allein als Lebensgrundlage dienen kann, beantwortet Technorati mit einem "ja, aber". Der Durchschnitt der untersuchten 1000 Blogger erreichte einen Jahresumsatz von 6000 Dollar - vor allem durch Werbung. Spitzenverdiener mit 100.000 oder mehr Besuchern im Monat, was bei Weblogs eher selten vorkommt, erreichten gar fünfstellige Einnahmen. Das IT-Weblog TechCrunch, das selbst als hochprofitabel gilt, bezweifelte diese Werte allerdings. Dennoch seien die Einnahmen durch Blogs im Durchschnitt gestiegen.
Technorati glaubt, dass die Kommerzialisierung noch weiter gehen wird: Markenprodukte fänden in Weblogs oft Erwähnung. Vier von fünf befragten Bloggern veröffentlichten beispielsweise Produkttests, 90 Prozent schrieben regelmäßig über Marken, Musik, Filme und Bücher, die sie mögen oder von denen sie abraten. Dementsprechend soll auch die Nutzung als Werbeplattform zunehmen, glaubt Technorati. Das Problem dabei: Blogger müssen, ähnlich wie Journalisten, Inhalte und Werbung trennen, um das Vertrauen ihrer Leser nicht zu verlieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!