piwik no script img

Studie zu Warteschlangen beim EinkaufenSieben Minuten bis zur Kasse

Käufer müssen in Deutschland sieben Minuten an Kassen warten, sagt eine internationale Studie. In Österreich nur drei Minuten. Über die Schlangezeiten ist ein Streit entbrannt.

Ist das nun eine deutsche, österreichische oder russische Schlange? Bild: dpa

Sieben Minuten können lang sein. Wenn man untätig herumsteht in einer Schlange, in der alle anderen auch untätig herumstehen und jeder einen vollen Einkaufswagen vor sich hat. Sieben Minuten müssen Verbraucher in Deutschland im Schnitt warten, bis sie endlich drankommen an den Kassen, sagt eine neue Studie. Im beschaulichen Österreich, zum Beispiel, geht es schneller. Dort dauert die Warterei angeblich nur knapp drei Minuten.

Sieben Minuten seien "unrealistisch lang" protestiert Hubertus Pellengahr, Sprecher des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE) im Gespräch mit der taz. Solche langen Wartezeiten seien keinesfalls die Regel, die könnte man sich bestenfalls an einem Adventsamstag in einer überfüllten Innenstadt vorstellen. Im Gegenteil habe sich der Kassiervorgang in Deutschland in den vergangenen Jahren beschleunigt. Die Supermärkte setzten heute Personal flexibler ein als früher, "da werden Kassen viel schneller besetzt, wenn sich Schlangen bilden", meint Pellengahr.

Im internationalen Beratungsunternehmen Grass Roots Performance, das die Studie im Auftrag des europäischen Testkaufverbandes MSPA machte, wird jedoch die Seriösität der Daten betont. 2500 Testkunden haben in 24 europäischen Ländern eingekauft. In Deutschland wurden Testkäufer mit Stoppuhr 300mal durch Kassenschlangen geschickt, erklärt Patricia Franke-Bas, Abteilungsleiterin bei Grass Roots Performance in Deutschland im Gespräch mit der taz. Die Wartezeiten hätten sich dabei im Vergleich zu einer Erhebung aus dem Jahre 2005 nicht verkürzt.

Allerdings hätten die Testkunden sich nicht nur in Einkaufsmärkten, sondern auch in Postfilialen, Verkaufsstellen der Deutschen Bahn, Banken und Fast-Food-Restaurants in die Kassenschlangen gestellt, so Franke-Bas. Dies erhöhte den Durchschnittswert. Laut Studie sind die Wartezeiten bei Post und vor Bahnkartenschaltern besonders lang, während es in Supermärkten erheblich schneller vorangeht.

Pellengahr verweist daher auf die unterschiedlichen Datenquellen, "die haben alles in einen Topf geworfen". Wenn etwa in Reisecentern oder Postfilialen schon ein Schild stünde, das von den Kunden "Diskretionsabstand" fordere, dann wisse man, dass "dort längere Schlangen erwartet werden als in einem Drogeriemarkt".

In der Tat gelte etwa bei Lidl in Berlin, dass eine Kassiererin nach einer zweiten Mitarbeiterin läuten muss, wenn sich der dritte Kunde an ihre Kasse stellt, berichtet eine 28jährige Studentin aus Berlin, die bei dem Discounter kassiert hat. Auf das Läuten hin wird dann eine weitere Kasse aufgemacht.

Aber wie kommen die internationalen Unterschiede zustande? Es muss nicht direkt am Service legen, sondern könnte auch auf die Zahl der Kunden zurückzuführen sein, der eben nicht die Stärke des Personals entspricht.

"In Deutschland leben nun mal mehr Menschen als in Österreich", sagt Franke-Bas. So stehen hierzulande im Schnitt fast fünf Leute in einer Warteschlange, in Österreich hingegen nur etwas mehr als zwei Kunden.

Aber auch die "Schlangenmentalität" könnte eine Rolle spielen. In Russland beispielsweise, wo man noch aus Zeiten des Staatssozialismus lange Wartezeiten gewöhnt ist, stehen im Schnitt nur drei Kunden in einer Schlange. Trotzdem müssen Käufer dort im Schnitt zehn Minuten warten, bis sie endlich drankommen. Neben der Türkei, Rumänien und Ungarn verfügt Russland über die langsamsten Schlangen, so das Ergebnis der Studie.

Man kann die Schlange also auch kulturhistorisch betrachten. Der russische Autor Vladmir Sorokin beschreibt in seinem vielfach übersetzten Roman "Die Schlange", welche mitmenschlichen Kontakte und Beobachtungen sich im gemeinsamen Warten entwickeln können. Sieben Minuten Wartezeit wären zu Sowjetzeiten, wo Sorokins Roman spielt, als der reine Luxus erschienen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

3 Kommentare

 / 
  • O
    opatoni

    wenn das unser einzigstes problem - gehts uns ja super.

    man sollte mal schaun, dass die leut immer weniger werden u das ne kassierin nicht nur zum kassieren da ist - sondern den laden noch aufbaut usw.. was wäre, wenn ein flugkapitän nicht nur das flugzeug fliegen - sondern die maschine noch betanken, bzw. das gepäck einladen, bzw. die fluggäste kontrollieren müßte. diese schlange würde ich mal sehen wollen. heutzutage, wenn einer an ner kasse steht hopft er rum wie...... , sobald er an der kasse gefragt wird, wie u mit was er bezahlen möchte - dann fängt er das kramen an - das ist das problem. wenn die leut erst an sich denken würden, was sie dazu beitragen könnten u nicht immer das was der anderen tun muss - dann wäre auch vieles einfacher u schneller! frei nachdem satz: ich doch nicht - aber es ist ganz alleine deine pflicht!

  • A
    Anne

    Das kommt aber auch ein wenig auf die Region an. In der einen Stadt hat man seine Sachen aufs Band gepackt und fertig. Der Abstand wurde einigermaßen eingehalten, außer samstags oder kurz vor Ladenschluss bzw. beim Feierabendeinkauf ist einem keiner in die Hacken gefahren. In der neuen Stadt ist es Pflicht, unbedingt neben seinen Sachen stehen bleiben zu müssen, auch wenn man dem Vordermann dafür auf die Füße trampeln muss oder eine Riesenlücke vor sich entstehen lässt, so dass aber der Nachfolger keine Möglichkeit hat, seinen Einkauf schon einmal aufzuladen. Dadurch ergibt sich ein ziemlich holperiger Rhythmus, der das Einkaufen unnötig verlängert und an den Nerven zerrt. Da knurre ich auch schon einmal böse vor mich hin ...

  • B
    Boiteltoifel

    Ungeduldiges Deutschland. Wenn ich als Dritte in der Warteschlange stehe, trappelt der Hintermann schon hektisch von einem Fuß auf den anderen und stöhnt leise "... zweite Kasse... lange warten..." vor sich her und nervt mich. In einigen Supermärkten gab es früher Klingeln, die einen Lautsprecher einschalteten: "Dingdong! Wir danken für Ihren Hinweis. Wir werden in Kürze eine neue Kassen öffnen. Dingdong! Wir danken...". Noch nerviger. Warum können Deutsche sich nicht einfach in die Schlange stellen und warten bis sie dran sind. In England geht das. Aber da entsteht auch kein Knäuel, wenn sich eine Laden-, Bus- oder Zugtür öffnet.