: Studenten werden Kunden
Die Klett-Gruppe und die Freie Universität Berlin haben die „Deutsche Universität für Weiterbildung“ ins Leben gerufen, die ab Herbst 2007 den Lehrbetrieb aufnehmen soll. Bedeutet das das Ende des Weiterbildungsproblems? Zweifel sind angebracht
VON MARKUS WILD
Glaubt man den Worten des Regierenden Bürgermeisters, ist das Ende einer Misere greifbar nahe: „Jetzt können wir hier in Berlin Antworten auf das Weiterbildungsproblem geben“, frohlockte Klaus Wowereit (SPD) Mitte September. Der Anlass war die Ankündigung der Freien Universität Berlin (FU) und der Klett-Gruppe, im kommenden Jahr in der Hauptstadt die „Deutsche Universität für Weiterbildung“ (DUW) zu gründen, wahlweise auch „Berlin University of Professional Studies“ genannt.
Die OECD hatte Tage vorher einmal mehr kritisiert, dass Deutschland nicht genug für die Weiterbildung tut – vor allem auf Hochschulniveau fehlten Angebote; jetzt will die DUW Abhilfe leisten: Angesiedelt werden soll die Weiterbildungsuni in einem Gebäude, das die FU bereitstellen wird; der Klett-Verlag will mittelfristig fünf Millionen Euro investieren und keine staatlichen Zuschüsse in Anspruch nehmen. Gründungsdirektor wird Klaus Hurrelmann, bisher Professor an der Uni Bielefeld. Obwohl die DUW eigenes wissenschaftliches Personal beschäftigen soll, ist derzeit noch nicht klar, wie viele Kollegen Hurrelmann ab Herbst 2007 zur Seite stehen werden, wenn der Lehrbetrieb aufgenommen werden soll.
Berlins scheidender Wissenschaftssenator Thomas Flierl (PDS.Linkspartei) erhofft sich von dieser eigentümlichen „Private Public Partnership“ gleichwohl, dass ein „heilsamer und produktiver Druck“ auf die anderen Hochschulen ausgeübt werde. Seit 2002 seien in Berlin bereits fünf private Einrichtungen anerkannt worden; zwei weitere Anträge – darunter die „Deutsche Universität für Weiterbildung“ – lägen vor. Der Senat will die private Uni „vorläufig anerkennen“, bis der Wissenschaftsrat die neuen Studiengänge akkreditiert habe.
Doch bedeutet die Gründung privater Hochschulen tatsächlich das Ende des (Weiter-)Bildungsnotstands? Zweifel sind angebracht. Schon das zunächst angekündigte Fächerspektrum der DUW ist mit drei – jeweils zweijährigen, berufsbegleitenden – Masterstudiengängen, die noch aus den fünf Bereichen Management, Gesundheit, Kommunikation, Bildung und Altern ausgewählt werden sollen, zu schmal, als dass der Begriff „Universität“ voll gerechtfertigt erscheint.
Die traditionellen Unis werden weiterhin die Hauptlast der Ausbildung tragen. Sie sind es, die das ganze Fächerpaket anbieten müssen – von den Kulturwissenschaften über Informatik bis Jura und Medizin. Daran ändern auch die beiden Privatuniversitäten kaum etwas, die im für 35 Millionen Euro sanierten Staatsratgebäude Quartier bezogen haben: Während an der von 25 Unternehmen gegründeten „European School für Management and Technology“ (ESMT) neben Teilnehmern von Weiterbildungsseminaren lediglich rund 30 Studenten eingeschrieben sind, haben im September ganze 48 Studierende des zweiten Jahrgangs, davon 27 Deutsche, an der „Hertie School of Governance“ (HSoG) das „Master of Public Policy“-Programm begonnen.
Immerhin: Die DUW will binnen fünf Jahren auf 13 Studiengänge aufstocken, und das angestrebte Themenspektrum – von Tourismus über Lernen bis Altern – könnte der Stadt notwendige Impulse geben. Die Klett-Gruppe, die bislang drei Fachhochschulen mit einem ähnlichen Angebot unterhält, habe sich für Berlin entschieden, weil die „Marke“ FU „Strahlkraft in Deutschland und darüber hinaus“ habe, so der Klett-Vorstandschef Uwe Brinkmann. Die FU stelle neben einer Immobilie vor allem auch ihr Know-how zur Verfügung, dazu zähle nicht zuletzt das FU-Netzwerk mit über einhundert Universitäten in aller Welt.
Beim Unterricht denke man derweil an einen „Mix“ aus Literaturstudium, virtuellem Unterricht und Präsenztagen, wobei Letztere deutlich höher ausfallen sollen als die 15 bis 20 Tage an den Fachhochschulen des Verlages. Das dürfte auch notwendig sein, damit die DUW sich nicht zu einer verkappten Fernuniversität entwickelt.
Sicher ist: Die DUW wird auch noch in einigen Jahren ein spezialisiertes Angebot bereithalten, das sich mit dem allgemeinen Bildungsanspruch einer Universität weder messen kann noch will. Das ist im Interesse der beteiligten FU: „Wir wollen ja nicht unserem eigenen Angebot Konkurrenz machen“, so der FU-Präsident Dieter Lenzen.
Allein 18 gebührenpflichtige Master-Studiengänge biete die FU bereits an – die Gebühren liegen in der Regel zwischen 500 bis 1.000 Euro pro Semester. Die DUW richte sich indes vor allem an Berufstätige und werde keine Master-Studiengänge im Programm haben, die direkt auf einem Bachelor-Abschluss aufbauen. Dennoch glaubt Lenzen an Synergieeffekte durch die FU- und die DUW-Angebote.
Klett-Vorstandschef Brinkmann geht noch einen Schritt weiter: Er spricht lieber von Kunden denn von Studenten. Langfristig will die DUW Gewinne erzielen. „Am Ende muss es sich rechnen“, so Brinkmann, der sich um die Rentabilität des Projekts keine Sorgen macht: „Ich gehöre zu der Sorte Verleger, die rechnen kann.“ Darum werden die DUW-Studiengänge zwischen 400 und 700 Euro im Monat kosten. Im Vergleich zu den Gebühren von 50.000 Euro für das einjährige Studium an der „European School für Management and Technology“ mag das eine fast bescheidene Summe sein. Doch der sozialen Klientel sind damit trotzdem deutliche Grenzen gesetzt.