Studenten auf Partnersuche: Der Tutor mit der Praktikantin

Viele Studenten finden Partner an der Universität. Nicht immer ganz zufällig - es gibt Kuppelorte. Und das verändert die Gesellschaft.

Hui! Wenn im Labor die Chemie stimmt..... Bild: dpa

Wenn man die Geschichte von Anna und Markus Waldhuber zum ersten Mal hört, könnte man meinen, sie seien einfach zwei Menschen, die sich kennengelernt haben, wie sich Liebende eben kennenlernen. So wie zwei, die einen gemeinsamen Freund haben, oder zwei, die bei der Zigarette vor der Restauranttür zum ersten Mal miteinander geredet haben.

Man könnte meinen, sich in einem Chemiepraktikum während des Studiums zu verlieben wäre genauso eine Geschichte. Zufall. Aber so ist es nicht. Denn es fallen immer mehr Namen: Christina und Stefan, Maria und Christoph, Josefine und Patrik. Immer der gleiche Plot: er Praktikumsbetreuer, sie Studentin, beide Naturwissenschaftler. Wer verkuppelt sie?

Markus Waldhuber, 30 Jahre alt, ist Biochemiker, Anna Haller, zwei Jahre jünger, Biologiestudentin. An der Universität in München betreut Markus Waldhuber ihr Praktikum. Im Labor zwischen Proteinfaltung und Latexhandschuhen lernen sie sich kennen. Ihr fällt seine Zahnlücke auf, ihm, dass immer dort, wo sie steht, gelacht wird. Bei der Abschlussparty des Kurses laufen sie ein Stück und reden die ganze Nacht auf der Treppe des Kreisverwaltungsreferats. Ein halbes Jahr später macht er ihr dort einen Heiratsantrag.

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"Ich habe mich auf die Betreuung der Biologinnen gefreut, weil sie den Ruf haben, besonders hübsch zu sein", sagt Markus Waldhuber. Er lacht dabei nicht, aber er schmunzelt. Für einige seiner Kollegen ist die Betreuung von Praktika lästig, "Kindergarten" nennen sie die Woche voller Fehler und Fragen, die sie von ihrer Doktorarbeit abhält. Die meisten, die das sagen, haben Partnerinnen oder Partner. Die anderen streiten sich darum, wer die Praktika betreuen darf. Es ist bekannt, was dort passieren kann, es ist ein Ruf, der vorauseilt, und einige Dozenten und Studentinnen und Studenten denken das mit.

Liebe an der Universität ist nicht immer nur zufällig. Es gibt Räume, in denen sie institutionalisiert wird. Kuppelräume. Orte, an denen Partnersuche bewusst mitgedacht wird. Sie haben sich über die Jahre entwickelt oder sie werden konstruiert.

An der Universität München organisieren die Studiengänge Buchwissenschaften und Wirtschaftsinformatik gemeinsame Partys. Bei dem einen liegt die Quote männlicher Studierender bei 90 Prozent, bei dem anderen die der Frauen. In Leipzig feiern Informatiker mit Kulturwissenschaftlerinnen zusammen. Die Münchener Partyreihe entstand in der Küche einer Wohngemeinschaft, in der sich ein Wirtschaftsinformatiker und eine Buchwissenschaftlerin trafen und feststellten, dass die Geschlechterquoten ihrer Studiengänge sich gut ergänzen würden.

Beziehungen aufzubauen - Freunde zu finden und Partner - ist neben Selbstfindung und der Abkoppelung vom Elternhaus eine der wichtigsten Dimensionen der Studienzeit. Das Statistische Bundesamt zählte bei den aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2008 632.000 Ehen zwischen Akademikern in Deutschland.

Insgesamt hat aber nur die Hälfte aller verheirateten Hochschulabsolventen einen Akademiker zum Partner. Das klingt wenig. Allerdings erfasst die Statistik verheiratete Paare aller Altersklassen und spiegelt damit vor allem das Bindungsverhalten einer Zeit, in der der Frauenanteil unter den Studierenden noch nicht bei 50 Prozent lag und Männer in der Mehrheit Partnerinnen mit niedrigerem Bildungsabschluss hatten. Mit der steigenden Studentinnenzahl nimmt nun auch die Zahl der Akademikerpaare zu.

Der Soziologe Heinrich Best weiß, welche Folgen es hat, wenn die Universität zur Partnerbörse wird. Er forscht an der Universität Jena zu Elitenbildung. Je mehr Studenten andere Studenten finden, desto schneller vollzieht sich, was Best "soziale Schließungsprozesse" nennt. "Einer Gesellschaft mit klar getrennten Bildungsschichten geht die Mobilitätsverheißung verloren", sagt Best. Heißt: Die Elite sondert sich ab, findet untereinander Partner, bekommt Akademikerkinder, die dann die nächsten Hochschulabsolventen werden. Sie haben beste Ausgangsbedingungen, kennen die sozialen Codes und verfeinern sie immer mehr. "So eine Abschottung erschwert Prozesse sozialen Aufstiegs", sagt Best.

Was gesellschaftlich zum Prozess wird, ist für jedes einzelne Paar der alltägliche, schöne Lauf der Dinge. Akademikerpartnerschaften sind besonders stabil, "es ist schon gut, wenn der Partner versteht, woran man arbeitet", sagt Markus Waldhuber. Drei Tage nach dem Heiratsantrag flog er nach San Francisco, um für seine Doktorarbeit zu forschen. Anna, die noch Haller hieß, flog hinterher. Sie schnitt Gehirne auf, er untersuchte sie. Dann heirateten sie. Eine ganz normale Geschichte.

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