piwik no script img

■ Strukturen für ein neues Bündnis: Partei oder VerbandWas folgt nach dem Frauenstreik?

Am 9. März meldete die Bonner Rundschau, der FrauenStreik sei ein „Flop“ gewesen, weil Gruppen, die in „ihrer Grundausrichtung (...) gegensätzlich sind, sich in allzu zahlreichen Aktivitäten verzettelten“. Gerade die Breite des Spektrums aber machte den Erfolg des FrauenStreikTag '94 aus. Welche frauenpolitischen Aktionen haben denn in den letzten Jahren mehr Frauen erreicht, welche hatten einen größeren Medienerfolg als der FrauenStreikTag am 8. März '94?

Was bleibt, ist die Frage, wie die neuentstandene sowie die wiederbelebte Kraft der Frauenbewegung aufrechterhalten und in Macht umgewandelt werden kann. Besonders zwei Optionen sind in der Diskussion: Entweder wir gründen ein Feministisches Frauenbündnis als gemeinnützigen Verein, der ähnlich etwa dem „Bund für Umwelt und Naturschutz“ professionell arbeitet, oder wir tun es den Schwedinnen gleich und gründen eine Feministische Partei. Dabei sollten wir uns freilich nicht von den '94 anstehenden Wahlen ins Bockshorn jagen lassen. Weder eine Partei noch ein auf Kontinuität ausgerichtetes Bündnis können als Schnellschuß in die Welt gesetzt werden. Nachdem die feministische Frauenbewegung es während der vergangenen 20 Jahre fast gänzlich unterlassen hat, institutionalisierte Strukturen aufzubauen, kommt es jetzt nicht darauf an, schnell etwas auf die Beine zu stellen, sondern eine beständige Struktur zu schaffen – möglichst noch in diesem Jahrhundert ...

Abscheu überwinden

Die Ablehnung von Frauen gegenüber Parteien wird meist mit deren hierarchischen Strukturen, mit der Abscheu gegenüber dem Parlamentarismus – als einem korrumpierenden Streben nach Parlamentssitzen und Regierungsbeteiligung – und mit dem, „was das mit uns macht“, begründet. Hierzu ist folgendes zu sagen: Kämpfe um Pfründe wird es immer und überall dort geben, wo attraktive Ressourcen winken, die verteilt werden müssen. Ein großes, wirkungsvolles und medienpräsentes Frauenbündnis, das als gemeinnütziger Verein organisiert ist, wäre dagegen ebensowenig gefeit wie eine Partei. Eine effektiv arbeitende, bundesweite Organisation – ob Verein oder Partei – wird sich auf jeden Fall ein Sprecherinnengremium wählen müssen. Als Partei, die den Anspruch erhebt, in die Parlamente und in die Regierung zu kommen, könnten wir aber nicht nur einen Sprecherinnenrat, sondern mit den uns eigenen Kompetenzen ein ganzes feministisches Schattenkabinett aufstellen ... Das hätte Witz und wäre medial sehr wirksam. Gravierender Nachteil einer Partei ist, daß Frauen ohne deutschen Paß dort nur eingeschränkte Rechte besitzen, ein Mangel, der durch einen verstärkten Einsatz der Feministischen Partei für das Wahlrecht von AusländerInnen nur kompensiert, aber nicht aufgehoben würde. Bei einem Verein wäre die Gleichberechtigung aller Mitfrauen von Anfang an gegeben.

Drei kleinere Übel

Dennoch steht die Frage nach der Beteiligung an Wahlen und die grundsätzliche Einstellung zum Parlamentarismus im Vordergrund der Entscheidung für oder gegen eine Partei: Fakt ist, daß es im Moment keine Partei gibt, deren Wahl für Feministinnen attraktiv ist: Die Politik der SPD ist von feministischen Grundsätzen so weit entfernt wie eh und je. Die Grünen vollziehen seit Jahren einen zwar langwierigen, aber sicheren Abschied von feministischer Politik, was in der Aufstellung der Landeslisten zum Bundestag ebenso zum Ausdruck kommt wie in der Kündigung so mancher Landesfrauenreferentin. Die Durchsetzung bzw. Aufrechterhaltung feministischer Positionen innerhalb der Partei und in der Bundestagsgruppe ist mit außerordentlichen Schwierigkeiten verbunden und mitunter unmöglich. Bei der PDS, deren Vertreter im Rechtsausschuß erst kürzlich mit den Männern von CDU und FDP gegen eine ausreichende Aufschiebung der Verjährung bei Straftaten des sexuellen Mißbrauchs von Kindern gestimmt hat, sieht es nicht besser aus: Feministische Positionen haben dort weder personell noch programmatisch einen angemessenen Stellenwert. In gemischten Parteien sind Frauen immer nur Gäste. Auch Feministinnen müssen dort von Männern gewählt werden, was einen ungeheuren Anpassungsdruck erzeugt. Frauen, die dem nicht in ausreichendem Maße nachgeben, werden früher oder später kaltgestellt, häufig mit den Stimmen anderer – noch oder schon angepaßter Frauen.

Aus feministischer Sicht ist der einzige Grund, sich an den Wahlen zu beteiligen, momentan der, daß eine hohe Wahlbeteiligung eventuell dazu geeignet ist, den Einzug offen rechtsradikaler Parteien in die Parlamente zu verhindern. Es wäre allerdings schön, wenn frau wieder eine Wahl hätte, die jenseits der drei kleineren Übel läge. Angesichts der ohnehin bestehenden Notwendigkeit zu wählen ist die Abstinenz der Frauenbewegung gegenüber der Gründung einer eigenen Partei zumindest irrational. Frau bleibt zwar im günstigen Fall selbst „sauber“, gestattet aber durch die Abgabe ihrer Stimme, zwangsläufig anderen „korrupten KarrieristInnen“, den Kuchen der Macht unter sich aufzuteilen.

Dennoch müssen wir, wenn wir auf wichtige Teile der Frauenbewegung nicht verzichten wollen, die Abneigung gegenüber Parteien als Ausgangspunkt hinnehmen. Der größte Vorteil, den ein gemeinnütziger Verein gegenüber einer Partei hätte, ist die größere Akzeptanz desselben. Schließlich hat auch der BUND über fünfmal soviel Mitglieder wie die Partei Bündnis 90/Die Grünen, was darauf hindeutet, daß nicht nur Parteien Instrumente politischen Handelns sein können.

Für Töchter und Enkelinnen

Bei der Entscheidung darüber, wie es weitergehen soll, kommt es meines Erachtens auf zwei Dinge an: erstens auf die Finanzierbarkeit professioneller Arbeit. Schon ein eintausendfrau starker, gemeinnütziger Verein mit einem durchschnittlichen Monatsbeitrag von 20 Mark wäre in der Lage, feministischen Forderungen in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen und bestehende Strukturen bundesweit zu vernetzen. Der BUND hat nach 18jährigem Bestehen allerdings schon 220.000 Mitglieder, die in 1.500 Ortsgruppen organisiert sind. Zweitens: Das Frauenbündnis darf sich der politischen Beliebigkeit ebensowenig hingeben wie eine Partei. Es wird für Feministinnen nur dann attraktiv sein, wenn es patriarchats- und kapitalismuskritisch ist und wenn bestimmte Essentials – wie die Quotierung aller Erwerbsarbeitsplätze, die selbstbestimmte Entscheidung jeder Frau über den Abbruch oder die Fortsetzung einer Schwangerschaft, die Entprivilegierung der Ehe sowie die Anerkennung der lesbischen Lebensweise als selbstverständliche Alternative, um hier nur einiges zu nennen – zur Grundlage seiner Politik macht.

Schlimm wäre es, wenn wir uns für gar keine übergreifende Struktur entscheiden würden. Die Sozialdemokratische Partei – frau denke über sie, was sie wolle – ist immerhin über 120 Jahre alt, während die feministische Frauenbewegung, die es natürlich auch schon in der Weimarer Zeit gab, sich in den 70er Jahren erst wieder mühselig „neu“ gründen mußte. Diese Mühsal möchte ich unseren Töchtern und Enkelinnen ersparen. Jutta Oesterle-Schwerin

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen